Die SP steht bei der Ausrichtung ihrer Wirtschaftspolitik vor einer Zerreissprobe! Die Parteileitung um Christian Levrat will einen radikalen Linkskurs einschlagen. So soll am Parteitag vom 3. und 4. Dezember das Papier Wirtschaftsdemokratie verabschiedet werden. Mit 20 Forderungen wollen die Sozialdemokraten die Wirtschaft umkrempeln: demokratischer machen, Arbeitnehmern mehr Einfluss auf die Entscheide einer Unternehmung geben und sie stärker am Erfolg beteiligen. Sie träumen von Arbeitszeitverkürzungen, demokratischen Banken oder dem Ausbau des Service public. Präsident Levrat spricht von «Klassenkampf».
Seit SP-Ständerätin Pascale Bruderer im BLICK das Papier als «realitätsfern» und «fatal» kritisiert hat, wird die Liste der Politiker, welche die Rückweisung verlangen, lang und länger. Prominente National- und Ständeräte, aber auch viele SP-Exekutivpolitiker kritisieren Levrat und Co. scharf.
Etwa die Nationalräte Evi Allemann (BE), Yvonne Feri (AG) und Tim Guldimann (ZH). Dazu die Ständeräte Claude Janiak (BL), Daniel Jositsch (ZH) und Hans Stöckli (BE). «Hehre Ziele sind gut, aber wir sollten uns solche setzen, die wir in diesem Jahrhundert erreichen können», sagt Stöckli.
Spätestens mit der Wahl von Donald Trump sei der Umbruch in der politischen Kultur Realität, sagt Guldimann. «Gegen den Rechtspopulismus müssen wir Rechtsstaat und Menschenrechte verteidigen, um die Zukunft der weltoffenen Schweiz zu sichern.» Das gehe nur in einer Mitte-links-Allianz.
Jetzt sei nicht die Zeit für den grossen Wurf. «Wir müssen mit umsetzbaren Forderungen auf die Frustrationen eingehen», so der ehemalige Botschafter in Berlin. Etwa mit einem besseren Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer.
Viele aktuelle und ehemalige Exekutivpolitiker, die Realos in der SP, bekämpfen das Wirtschaftsdemokratie-Papier. Darunter der Berner Regierungsrat Christoph Ammann. Oder Daniel Mosimann, Stadtpräsident von Lenzburg AG: «Die alten Rezepte liefern keine Antworten auf die neuen Herausforderungen wie Digitalisierung und Industrialisierung 4.0.», sagt er.
Parteichef Christian Levrat hält trotz massiver Kritik am Papier fest, das bewusst Abstand von der Art und Weise nehme, wie heute gewirtschaftet wird. Denn die heutige Wirtschaft sei «weder demokratisch noch ökologisch, noch solidarisch».
Zur Kritik von Guldimann sagt Levrat: «Den Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer fordert die SP seit Monaten, nur wollen FDP und CVP davon nichts wissen.» Das Papier ändere auch nichts an unserem Kampf für faire Löhne, sichere Renten und tiefe Krankenkassenprämien.
«Wir eröffnen mit der Wirtschaftsdemokratie nur ein neues Feld, das alle anderen Parteien brachliegen lassen», so Levrat. «Wie kann ich am Arbeitsplatz mitbestimmen? Wie können wir das Gemeinwohl statt den kurzfristigen Profit ins Zentrum stellen?» Diese Fragen seien sehr real und trieben sehr viele Menschen um.