Es ist laut in der Interviewzone des Bernexpo-Gebäudes, in das das Parlament wegen der Corona-Pandemie ausweichen musste. Es hallt furchtbar. BDP-Präsident Martin Landolt (51) und CVP-Chef Gerhard Pfister (57) sind versucht, den Zwei-Meter-Abstand zu brechen, damit man sie versteht. Schliesslich haben sie Entscheidendes zu berichten: Wenn die Wintersession des Parlaments – hoffentlich wieder im Bundeshaus – kurz vor Weihnachten endet, soll der Startschuss für ihre neue gemeinsame Partei erfolgen.
BLICK: Herr Landolt, Sie befragen seit dieser Woche die BDP-Basis. Worum geht es?
Martin Landolt: Wir wollen ähnlich wie die CVP von den Mitgliedern Auskunft darüber, wie wir uns positionieren sollen. Und wir fragen die Haltung zu Zukunftsoptionen ab – darunter auch zur Neugründung einer Mitte-Partei zusammen mit der CVP.
Aus zwei bestehenden Parteien soll eine neue Partei werden. Ist das auch Ihr Plan, Herr Pfister?
Gerhard Pfister: Ich habe das CVP-Präsidium informiert: Wir nehmen Gespräche über die Gründung einer gemeinsamen Mitte-Partei auf. Unser Ziel ist es, bis Ende Jahr grünes Licht für diese Partei zu haben.
Mitte-Partei – würde Ihnen der Name gefallen?
Landolt: Ich eröffne hier keinen Basar. Aber die neue Partei muss eine Marke werden, die unsere Wachstumschancen unterstreicht. Wir wollen zusätzliche Wähler gewinnen, junge Leute und Frauen. Der Name muss die Werte und Inhalte unserer Parteien sofort erkennbar machen.
Passen die beiden Parteien denn zusammen? Unter Ihrer Führung hat die BDP einen sehr viel progressiveren Kurs eingeschlagen als die CVP.
Landolt: Bei gesellschaftsliberalen Themen war das so, ja. Aber auch hier hatten wir immer wieder Partner aus dem sozialliberalen Flügel der CVP. Dieser würde in einer Mitte-Partei gestärkt. Und vergessen Sie die Ökologie nicht! Massnahmen für den Umweltschutz zu ergreifen, ist auch progressiv – und hier können wir auf die CVP zählen.
Schon 2014 wollten CVP und BDP näher zusammenrücken. Damals scheiterte das. Warum soll das jetzt klappen?
Landolt: Das war ein anderes Projekt in einem anderen Umfeld. 2014 ging es um eine Union, wie sie in Deutschland CDU und CSU haben. Hauptargument dagegen war, man wolle die eigene Fraktion behalten, da die BDP so sichtbarer sei. Das hat sich mit den Wahlen 2019 erledigt – wir haben keine eigene Fraktion mehr. Und ausserdem geht es heute um eine gemeinsame nationale Partei.
Und warum sind Sie zuversichtlich, Herr Pfister?
Pfister: Die CVP sollte in möglichst vielen Kantonen eine bestimmende Grösse haben. Doch gerade in den vier grössten Kantonen wird die CVP von aussen als konfessionell wahrgenommen. Deswegen hat sie weniger Rückhalt, als sie bräuchte. Ich bin überzeugt, es bietet sich uns eine einmalige Chance, diesen Nachteil wettzumachen. Die BDP in Bern, Graubünden und Glarus sind eigenständige, starke und gut strukturierte Parteien. Ich fände es völlig falsch, wenn wir davon nicht profitieren wollten. Denn: Machen wir es richtig, können wir als gemeinsame Partei in den Wahlen 2023 zulegen.
Sie haben die Kantonalparteien angesprochen. Da dürften nicht alle begeistert sein. Welche Freiheiten sollen sie haben?
Pfister: Das muss mit den Kantonalparteien intensiv diskutiert werden. Aber da gibt es Möglichkeiten, wie die CVP im Wallis zeigt: Dort gibt es vier Kantonalparteien mit leicht unterschiedlichen Namen. Zuerst müssen wir aber eine neue nationale Partei aufgleisen. Ich stelle einfach fest, BDP und CVP ergänzen sich in den Kantonen und Regionen gut – gerade da, wo beide Parteien ähnlich stark sind.
Landolt: Die Kantonalparteien wissen am besten, wie sie ihre Wachstumschancen nutzen können. Darum befragen wir sie ja. Natürlich werden wir auch dem Umstand Rechnung tragen, dass zu verschiedenen Zeitpunkten kantonale Wahlen anstehen. Für den einen Kanton kämen Veränderungen gerade richtig, für die andere Kantonalpartei passt es derzeit nicht und sie braucht länger. Diese Flexibilität haben wir.
Wollen Sie sich bei der neuen Mitte-Partei als Präsident zur Verfügung stellen, Herr Pfister?
Pfister: Die CVP hat eine Einladung zu Gesprächen bekommen. Die Frage nach einem Präsidenten stellt sich in der jetzigen Phase nicht.
Und Sie?
Landolt: Ich bin seit acht Jahren Parteipräsident, und wenn Christian Levrat endlich zurücktreten könnte, wäre ich der amtsälteste Parteichef. Mit dieser Perspektive sollte man nicht nochmals von vorne beginnen.
Sie, Herr Pfister, haben für die CVP für 2023 das Ziel herausgegeben, einen Wähleranteil von 15 Prozent zu erreichen. Da hilft Ihnen ein Zusammengehen mit der BDP natürlich.
Pfister: Die CVP war bei den letzten Wahlen zwar die einzige Bundesratspartei, die keine grossen Einbussen verzeichnete. In einzelnen Kantonen konnten wir sogar stark zulegen. In der Romandie aber gibt es noch viel zu tun für uns. Und natürlich: Eine Stärkung durch die BDP würde uns in verschiedenen Kantonen guttun. Man darf aber nicht einfach den BDP-Anteil zu unserem dazuzählen und glauben, wir kämen dann so oder so auf 14 Prozent.
Ein Ziel wollen Sie nicht nennen?
Pfister: Dafür ist es noch zu früh. Zusammen mit der EVP bilden BDP und CVP ja bereits die drittstärkste Fraktion im Bundeshaus. Es stünde der neuen Mitte-Partei gut an, sich ebenfalls als drittstärkste Kraft zu positionieren. Ich bin überzeugt, dass die BDP bei den letzten Wahlen unter ihrem Wert geschlagen wurde und auch wir noch Potenzial haben.
Wie sind die ersten Reaktionen auf die Pläne?
Landolt: Der Reiz, zusammen mit der CVP etwas bewirken zu können, ist sehr präsent bei unseren Mitgliedern. Wir wollen unseren Werten zu Relevanz verhelfen und sie nicht bloss in einer Nische bewirtschaften. Wir wollen die Politik nach unseren Vorstellungen prägen. Die Mitte-Fraktion zeigt, dass das möglich ist.
Pfister: Genau so ist es! Als intern bekannt wurde, dass wir mit der BDP über ein Zusammengehen reden, bekam ich durchwegs positive Reaktionen. Denn die Parteimitglieder wissen: Wenn man auf Bundesebene etwas bewegen will, muss man Einfluss haben. Zusammen mit der BDP gewinnen wir an Einfluss.
Früher hiess es, die BDP sei ein Wahlhilfeverein für Eveline Widmer-Schlumpf. Herr Landolt, scheuen Sie sich vor dem Vorwurf, jetzt einen Wahlhilfeverein für Bundesrätin Viola Amherd zu gründen?
Landolt: Obwohl Frau Amherd auch ohne die BDP im Bundesrat nicht gefährdet ist, lasse ich mir sehr, sehr gerne den Vorwurf machen, ihr bei der Wiederwahl behilflich zu sein.
Geht es eher darum, der Mitte zu einem zweiten Bundesratssitz zu verhelfen?
Landolt: Wenn uns die Stärkung der Mitte-Politik gelingt, wir Anliegen durchbringen und langfristig auch wachsen, wird das sicher ein Thema. Bundesratssitze sind aber nicht Sinn und Zweck unseres Projekts.
Ist für Sie, Herr Pfister, ein weiterer Bundesratssitz ein Thema?
Pfister: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mitte angemessen im Bundesrat vertreten sein muss. Schon heute sind vier Sitze auf der rechten Seite eigentlich zu viel. Mit drei Sitzen auf der linken Seite wäre diese auch übervertreten. Wir müssen uns jetzt aber darauf konzentrieren, mehr Mitte-Wähler anzusprechen und an der Urne zuzulegen. Dann ergeben sich automatisch neue Perspektiven.
Gibt es schon gemeinsame Projekte Ihrer Parteien?
Pfister: Die können wir aufgleisen, wenn wir zusammen eine Partei gegründet haben. Aber es gibt erste gute Erfahrungen aus der Mitte-Fraktion: In der Gesundheitspolitik konnten wir im bürgerlichen Lager den Lead übernehmen. Und unsere gemeinsame Fraktion hat bei den Bürgerlichen sowieso den Lead bei sozialen Themen und bei Umweltfragen inne. Als Mitte-Partei würden wir weitere Dossiers prägen.
Der 57-jährige Gerhard Pfister studierte Literatur und Philosophie. Nach dem frühen Tod seines Vaters übernahm der Zuger von diesem dessen Schulinternat bis zur Schliessung im Jahr 2008. Von 1998 bis 2003 sass Pfister im Kantonsrat, bis er in den Nationalrat gewählt wurde. Seit April 2016 präsidiert er die CVP Schweiz.
Der 57-jährige Gerhard Pfister studierte Literatur und Philosophie. Nach dem frühen Tod seines Vaters übernahm der Zuger von diesem dessen Schulinternat bis zur Schliessung im Jahr 2008. Von 1998 bis 2003 sass Pfister im Kantonsrat, bis er in den Nationalrat gewählt wurde. Seit April 2016 präsidiert er die CVP Schweiz.
Der 51-jährige Martin Landolt startete mit einer Lehre bei der Glarner Kantonalbank ins Berufsleben und bildete sich zum Betriebsökonom weiter. Er sass für die SVP im Kantonsparlament. Im Sommer 2008 machte er bei der Gründung der BDP Glarus mit.
Seit 2009 ist er Nationalrat und seit 2012 Chef der BDP Schweiz.
Der 51-jährige Martin Landolt startete mit einer Lehre bei der Glarner Kantonalbank ins Berufsleben und bildete sich zum Betriebsökonom weiter. Er sass für die SVP im Kantonsparlament. Im Sommer 2008 machte er bei der Gründung der BDP Glarus mit.
Seit 2009 ist er Nationalrat und seit 2012 Chef der BDP Schweiz.