Präsident der Schweizer Juden macht sich für Gesetz gegen Homo-Hass stark
«Auch Schwule und Lesben brauchen Schutz»

Schwule und Lesben sollen vor Anfeindungen geschützt werden, sagt SIG-Präsident Herbert Winter. Er spricht sich für ein Ja zur Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm aus. Winter erklärt, was diese der jüdischen Gemeinschaft gebracht hat.
Publiziert: 27.01.2020 um 10:27 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2020 um 11:24 Uhr
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Am 9. Februar stimmt die Schweizer Bevölkerung über die Ausweitung der Rassismus-Strafnorm ab.
Foto: Keystone
Interview: Ladina Triaca

In der SRF-«Arena» am vergangenen Freitagabend konnte Herbert Winter (73) nicht mitdiskutieren. Der Präsident des Schweizerisch Israelitischen Gemeindebundes (SIG) feierte wie viele Juden den Sabbat – und verrichtete deshalb von Freitagabend bis zum Eindunkeln am Samstag keine Arbeit.

Dabei hätte Winter gerne Stellung bezogen. Er befürwortet die Ausweitung der Anti-Rassismus-Strafnorm, über die in knapp zwei Wochen abgestimmt wird. Als oberster Schweizer Jude ist er immer wieder mit Diskriminierung und Hass konfrontiert – und hat Erfahrung, was das Gesetz dagegen bewirken kann.

BLICK: Herr Winter, wie verbreitet ist Hass gegen Jüdinnen und Juden in der Schweiz?
Herbert Winter: In den sozialen Medien und im Internet sind die Zahl der Anfeindungen gegen uns auf einem hohen Niveau. Im öffentlichen Raum ist die Lage in den vergangenen Jahren hingegen stabil. Und was man auch sagen muss: Das Mass an Hassrede gegen uns ist längst nicht so extrem wie in Deutschland oder Frankreich.

Welche Anfeindungen erleben Sie?
Das ist ganz unterschiedlich. Mir hat eine rechtsextreme Band in einem Song einmal mit dem Tod gedroht. Beleidigungen und Drohungen wie auch Verschwörungstheorien finden sich vor allem auch im Netz. Es gibt auch Fälle, in denen Personen den Holocaust leugnen oder jüdische Läden mit antisemitischen Sprayereien verwüsten. Das beunruhigt mich sehr.

Was tun Sie in solchen Fällen?
Wenn wir einen Fall haben, von dem wir überzeugt sind, das er die Rassismus-Strafnorm erfüllt – das heisst, wenn explizit und öffentlich gegen Jüdinnen und Juden gehetzt wird – dann erstattet in der Regel das Opfer oder wir vom Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund Strafanzeige.

Wie häufig kommt das vor?
Seit der Einführung der Rassismus-Strafnorm vor 25 Jahren haben jüdische Opfer rund 250 Anzeigen erstattet. In gut 190 Fällen kam es zu einer Verurteilung.

Sie setzen sich dafür ein, dass auch Homosexuelle vor Hass geschützt werden. Wieso?
Die Rassismus-Strafnorm will ja nicht nur spezifisch uns Jüdinnen und Juden schützen. Historisch sah man Juden oder vielleicht Menschen anderer Hautfarbe als besonders bedroht an. Heute brauchen auch Lesben und Schwule Schutz. Schliesslich sind auch sie regelmässig Opfer von Hassrede und Diskriminierung.

Fühlen Sie sich den Homosexuellen verbunden?
Ich kann ihre Situation nachvollziehen. Wir haben über Hunderte von Jahren erlebt, wie Jüdinnen und Juden schlechtgemacht wurden. Ich selber weiss noch, wie es war, als man als Jude in gewissen Fussballclubs und Restaurants nicht willkommen war. Wir beziehen klar Stellung dafür, dass man die Würde des Menschen nicht verletzen darf, ob nun wegen der Religion, der Ethnie oder aufgrund der sexuellen Orientierung.

Homosexuelle sind nicht die einzigen, die diskriminiert werden. Müsste man nicht auch andere Gruppen, wie etwa behinderte Menschen oder Frauen schützen?
Da haben Sie recht. Aber hier liegt jetzt eine konkrete Regelung auf dem Tisch – und diese unterstützen wir.

Aber dann könnte man die Strafnorm ja beliebig erweitern.
Wir stehen grundsätzlich hinter jeder Gruppierung, die angegriffen wird – ob das jetzt Frauen, Homosexuelle oder Menschen mit Behinderung sind. Deshalb würde ich es persönlich auch befürworten, wenn man in der Schweiz ein allgemeines Diskriminierungsverbot diskutieren würde – so wie man das im Ausland bereits kennt.

Kritiker befürchten, dass man dann gar nichts mehr sagen darf.
Die Gegner argumentieren gerne mit der Meinungsäusserungsfreiheit. Die Meinungsäusserungsfreiheit ist ein hohes Gut, keine Frage. Aber sie hat ihre Grenzen. Wenn man sagt, der Holocaust habe nicht stattgefunden, dann ist das schlicht keine Meinung. Dann ist das falsch. Hassrede ist keine Meinungsäusserung.

Der Kopf an der Spitze der Schweizer Juden

Herbert Winter (73) ist seit über elf Jahren Präsident des Schweizerisch Israelitischen Gemeindebundes, der die Interessen der Juden in der Schweiz vertritt. Winter ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Er arbeitet als Rechtsanwalt.

Herbert Winter (73) ist seit über elf Jahren Präsident des Schweizerisch Israelitischen Gemeindebundes, der die Interessen der Juden in der Schweiz vertritt. Winter ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Er arbeitet als Rechtsanwalt.

Das Referendum zu Anti-Rassismus-Strafnorm erklärt

Die Anti-Rassismus-Strafnorm soll künftig auch Hass und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe stellen. Dagegen hat ein Komitee das Referendum ergriffen und über 70‘000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Das müssen Sie über das Referendum gegen «Zensur von Schwulen-Witzen» wissen.

Die Anti-Rassismus-Strafnorm soll künftig auch Hass und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung unter Strafe stellen. Dagegen hat ein Komitee das Referendum ergriffen und über 70‘000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Das müssen Sie über das Referendum gegen «Zensur von Schwulen-Witzen» wissen.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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