«Gefühlte Armut» titelte die «Sonntagszeitung» vor sechs Tagen, nachdem das Familienbarometer 2024 gezeigt hatte, dass Familien aus finanziellen Gründen sogar auf ein weiteres Kind verzichten. Den Familiennotstand auszurufen, sei «falsch», urteilte auch die «Neue Zürcher Zeitung». Den Schweizerinnen und Schweizern gehe es besser als früher, die Armut habe abgenommen, der Zustand des Mittelstands sei extrem stabil.
Alles also nur eingebildet?
Jein. «Was stimmt», sagt Politologin Sarah Bütikofer: «Man ist heute deutlich konsumfreudiger als frühere Generationen: Man geht häufiger auswärts essen, macht teurere Ferien und kauft öfter elektronische Geräte.»
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Konflikt entlang der Generationen
Dennoch stimme halt auch, dass sich eine Familie mit drei Kindern und einem Lohn vor 40 Jahren eher ein Haus habe leisten können – heute sei das für eine Mittelstandsfamilie ohne Erbe praktisch unmöglich.
Das zeigt auch die für die Deutschschweiz und die Romandie repräsentative Umfrage «So denkt die Schweiz», die das Institut Sotomo im Auftrag von Blick durchgeführt hat. Auf die Frage: «Ganz generell: Wer konnte bzw. kann sich mehr leisten: Die Familie, in der Sie aufgewachsen sind, oder Ihre jetzige, eigene Familie?», sagen 38 Prozent der über 55-Jährigen ganz klar: die Familie heute. Bei den 18- bis 35-Jährigen bestätigen das nur noch 17 Prozent. 27 Prozent von ihnen sind überzeugt, dass sich die Familie, in der sie aufgewachsen sind, klar mehr leisten konnte.
Der Befund wird gestützt durch andere Studien. «Die heutige junge Generation ist im Westen die erste, die denkt, ihr wird es einmal weniger gut gehen als ihren Eltern», erklärt Bütikofer.
«Mental load» spielt auch eine Rolle
Gemäss der Politologin spielt aber noch mehr in dieses Rückschrittsgefühl hinein – der Gesellschaftswandel: «Heute sind meist beide Eltern berufstätig, vielleicht sogar als Pendler. Die Organisation von Berufs- und Familienleben ist anspruchsvoller.»
Es sei kein Wunder, dass das Phänomen des «mental load» heute so stark diskutiert werde. «Das Leben früher war scheinbar einfacher, entspannter», sagt sie. «Auch wenn da viel Nostalgie mitschwingt: Das Gefühl in vielen Familien, stark unter Druck zu sein, hat auch damit zu tun.»