«Politisches Totalversagen der Schweiz»
Taskforce-Althaus schiesst scharf gegen Bundesrat

Die Corona-Taskforce des Bundes gibt sich plötzlich alles andere als zahm. Epidemiologe Christian Althaus schiesst scharf gegen einen zögerlichen Bundesrat, spricht gar von einem «politischen Totalversagen der Schweiz». Experten hätten rechtzeitig gewarnt.
Publiziert: 24.10.2020 um 04:50 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2020 um 14:34 Uhr
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Covid-Taskforce-Mitglied und Epidemiologe Christian Althaus schiesst auf Twitter scharf gegen den Bundesrat, Behörden und Politiker.
Foto: Keystone
Daniel Kestenholz

Bundesbern schlägt zwar Corona-Alarm, doch die Mühlen des Föderalismus mahlen langsam und Dienstwege sind lang. Kantone zögern vor strengeren Corona-Schutzmassnahmen und wollen erst die nächste Bundesratssitzung am Mittwoch abwarten. Währenddessen können sich einzelne Taskforce-Mitglieder nicht länger mit Kritik an der langsamen Gangart von Politikern und Behörden zurückhalten.

Martin Ackermann, Leiter der wissenschaftlichen Covid-Taskforce des Bundes, brachte am Freitag vor Medien noch vorsichtige Kritik an. Jeder Tag zähle. Es sei jetzt nötig, sofort zu handeln. Damit äusserte sich Ackermann diplomatisch. Bis nächsten Mittwoch zuzuwarten, so viel Zeit habe man nicht, heisst es jetzt aus Taskforce-Reihen.

Auf Twitter kritisiert Taskforce-Mitglied Christian Althaus, Professor für Epidemiologie an der Universität Bern, das «sinnlose Zuwarten». In einem Retweet an Bundesratssprecher André Simonazzi (52) betont Althaus, dass es mindestens zwei Wochen brauche, bis die Wirkung einer Massnahme ersichtlich sei. Nächsten Mittwoch sehe man sowieso noch nichts.

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«Politisches Totalversagen der Schweiz»

Die Zahlen würden seit Wochen steigen, doch es gebe «keine Verantwortlichkeiten auf irgendeiner Stufe». Althaus spricht vom «politischen Totalversagen der Schweiz». Er erwähnt die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (57) als «Hobby-Epidemiologin», deren kritische Haltung gegenüber Massnahmen sich als wenig förderlich zur rechtzeitigen Eindämmung der Krise erwiesen habe.

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Dem nicht genug, fährt Althaus weiteren Behörden an den Karren: «Was macht eigentlich Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung?», fragt der Taskforce-Experte des Bundes lakonisch - und meint in einem weiteren Tweet: «Es ist fünf vor zwölf und waschen Sie sich bitte die Hände!» Seit vier Wochen sehe man eine wöchentliche Verdoppelung der Fallzahlen. Er und andere Experten hätten frühzeitig gewarnt. «Doch Politiker haben Wissenschaftlern im Sommer lieber einen Maulkorb verpassen wollen.»

Althaus wundert sich zudem über Justizministerin Karin Keller-Sutter (56), die laut dem «Tages-Anzeiger» zuerst wissen wolle, welche Kosten einzelnen Lockdown-Varianten verursachen: «Ähm, hätte der Bundesrat nicht sechs Monate Zeit, diese Rechnungen anzustellen?»

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Schützenhilfe von weiterer Taskforce-Expertin

Epidemiologe Althaus erhält Schützenhilfe von einem weiteren Taskforce-Mitglied: Nicola Low, Epidemiologin an der Universität Bern. Althaus habe gewarnt - und niemand auf ihn gehört: «Wenn Worte über Covid-19 vor acht Monaten so aktuell sind wie diese, haben wir nichts gelernt. Ich danke Ihnen, Christian Althaus».

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An die Adresse von Gesundheitsminister Alain Berset 48) und Lukas Engelberger (45), den Präsidenten der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren, twittert Low: «Die Fallzahlen stiegen schon im Sommer exponentiell. Sie steigen jetzt exponentiell, weil wir damals nicht gehandelt haben».

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