Es war ein Überraschungscoup: Der türkische Präsident Erdogan hat letzte Woche beschlossen, die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen schon auf diesen Juni vorzuziehen – über 16 Monate vor dem eigentlich vorgesehenen Wahltermin.
In Europa nimmt man das demokratiepolitisch fragwürdige Vorgehen mit grosser Besorgnis zur Kenntnis. Deutschland, Österreich und die Niederlande haben umgehend reagiert und möglichen Wahlkampfauftritten türkischer Minister auf ihrem Boden vorsorglich einen Riegel geschoben. Ein Zeichen, das auch die Schweiz setzen soll, fordern Schweizer Aussenpolitiker.
«Das geht nicht!»
«Auch die Schweiz muss Auftritte von Erdogan und seinen Ministern vorsorglich verbieten», sagt der Genfer SP-Nationalrat Carlo Sommaruga (58) zu BLICK. «Wir dürfen nicht erlauben, dass auf unserem Boden öffentlich Werbung für ein Regime gemacht wird, das die Menschenrechte massiv verletzt.» Er vergleicht mögliche Wahlkampf-Auftritte Erdogans und seiner Regierung mit Wahlpropaganda anderer autokratischer Herrscher. «Was wäre, wenn plötzlich Putin oder der eritreische Diktator in der Schweiz auf Wählertour gingen? Das geht nicht!»
Laut Elisabeth Schneider-Schneiter (54), CVP-Nationalrätin und Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, könnten Auftritte türkischer Politiker die innere und äussere Sicherheit der Schweiz gefährden. «Es besteht ausserdem die Gefahr, dass die Schweiz für gewisse Interessen instrumentalisiert wird und damit ihre Unabhängigkeit verliert.» Deshalb stehe sie ausländischen Wahlveranstaltungen auf Schweizer Territorium sehr skeptisch gegenüber.
Sommaruga plant Vorstoss
Das tut auch ihr St. Galler SVP-Amtskollege Roland Rino Büchel (52). Er verweist darauf, dass Wahlpropaganda im Ausland laut türkischem Gesetz eigentlich gar nicht erlaubt ist. «Es geht nicht an, dass wir in der Schweiz auf neutralem Grund helfen, türkische Gesetze zu brechen.»
SP-Nationalrat Carlo Sommaruga plant nun, in der kommenden Session einen Vorstoss einzureichen, der vom Bundesrat ein Verbot fordert. Sollten tatsächlich türkische Minister Auftritte in der Schweiz planen, werde er zudem direkt die betroffenen Kantone angehen, kündigt er an.
Auf sie verweist auch das Aussendepartement. Sollten Veranstaltungen angekündigt werden, seien grundsätzlich die Kantone bzw. die Gemeinden verantwortlich, Bewilligungen auszusprechen oder zu verweigern – zum Beispiel mit Verweis auf die Sicherheitslage.
Aus politischen Gründen will man Auftritte hingegen nicht generell verbieten. «Die Schweiz misst der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit grundsätzlich grosse Bedeutung bei, solange die Schweizer Rechtsordnung respektiert und der Sicherheit Rechnung getragen wird», sagt EDA-Sprecher Georg Farago.
Schon letztes Jahr sorgten geplante Auftritte für Stunk
Mit Verweis auf die Sicherheit waren bereits im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit dem umstrittenen Verfassungsreferendum in der Türkei mehrere Veranstaltungen nicht bewilligt worden. Organisiert hatte sie die erdogannahe Union Europäisch-Türkischer Demokraten UETD mit Sitz im Industriegebiet von Spreitenbach AG.
Ob auch in den kommenden Wochen AKP-Politiker in die Schweiz angeworben werden, um für eine erneute Amtszeit Erdogans zu werben, sei noch nicht klar, sagt Münir Sarucan, Vizepräsident der UETD Schweiz, zu BLICK. Man sei diesbezüglich noch nicht zusammengekommen.