Politiker schleusen Top-Lobbyisten als persönliche Mitarbeiter ein
Getarnt ins Bundeshaus

Das aktuelle Badge-Reglement ist nicht sehr transparent. Politiker deklarieren Lobbyisten als «persönliche Mitarbeiter» und verschaffen ihnen so Zugang ins Bundeshaus.
Publiziert: 25.06.2015 um 20:05 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:01 Uhr
Nie allein: Aber wen haben die Nationalräte Gross, Brand und Amherd (v. l.) im Schlepptau?
Foto: Igor Kravarik
Von Christoph Lenz

Er ist der Schlüssel zur Schweizer Machtzent­rale: der Bundeshaus-Badge. Wer ihn besitzt, darf jederzeit ins Bundeshaus hineinspazieren, als wäre es ein Bahnhofbuffet. Und kann Einfluss nehmen auf die Entscheidungsträger, natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Das Badge-Reglement sieht lediglich vor, dass jeder Parlamentarier offenlegt, welchen zwei Personen er den Badge gibt und was ihre Funktion ist.

Das System ist allerdings nicht sehr transparent. Denn viele Interessenvertreter werden getarnt ins Bundeshaus geschleust. Politiker deklarieren sie als «persönliche Mitarbeiter». Dadurch entsteht der Eindruck, diese Personen versähen nur einfache redaktionelle oder administrative Arbeiten. Man glaubt, es handle sich um die Zierfische im Haifischbecken der Politik. In Tat und Wahrheit sind sie aber Lobbyisten.

Zum Beispiel Verena Nold: SVP-Nationalrat Heinz Brand (GR) weist sie als «persönliche Mitarbeiterin» aus. Ziemlich irreführend. Nold amtet seit 2013 als Direktorin des mächtigen Krankenkassenverbandes Santésuisse. Wenn sie durch die Wandelhalle spaziert, dann eindeutig als Interessenvertreterin.

Warum Brand dies nicht deklariert? «Ich habe auf dem Badge-Formular einfach ‹persönliche Mitarbeiterin› angekreuzt. Ich wollte nichts vertuschen», sagt er. Zudem sei im Bundeshaus ja allgemein bekannt, dass Nold Santésuisse-Direktorin und er selbst Santésuisse-Präsident sei. Brand will nun eine Korrektur des Registereintrags prüfen.

Auch Stefan Wyer, Partner einer Berner PR-Agentur und Energie-Lobbyist, wird von seiner Badge-Gotte Viola Amherd (CVP/VS) als «persönlicher Mitarbeiter» aufgeführt. Amherd: «Wyer hilft mir bei der politischen Arbeit. Welche anderen Jobs er hat, ist nicht entscheidend. Mit diesen Mandaten habe ich nichts zu tun.»

Ein weiterer Fall ist Jürgen Schulz: Der Berner hat viele Mandate im Bereich Ökologie und dank SP-Mann Andreas Gross (ZH) einen Badge. Auch Schulz ist als «persönlicher Mitarbeiter» aufgeführt. Gross verteidigt sich: «Ich verstehe die aktuelle Regelung so, dass bei der Offenlegung der Funk­tion die Beziehung zwischen mir und Schulz im Vordergrund steht. Was er sonst noch macht, muss ich nicht deklarieren.»

Für Peter Hänni, Staatsrechtsprofessor an der Universität Freiburg, verstossen diese Beispiele zwar nicht direkt gegen das Gesetz. Aber: «Werden professionelle Lobbyisten als persönliche Mitarbeiter bezeichnet, so riecht das für mich nach Umgehung des Transparenz­gebots. Es läuft dessen Sinn und Geist zuwider.» Für den Staatsrechtler ist klar: «Die Interessenbindungen von Zutrittsberechtigten sollten offengelegt werden.»

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