Die EU-Kommission hat am Dienstag an ihrer Sitzung über die Beziehung Schweiz-EU diskutiert. Dabei habe man «einen Mangel an Fortschritt» beim Rahmenabkommen festgestellt, sagte EU-Vizepräsident Maros Sefcovic (52).
Man sehe «keinen Bedarf, eine Entscheidung zu treffen». Die Türen der EU-Kommission blieben jedoch weiterhin offen, so Sefcovic weiter. Zur Börsenäquivalenz selbst sagte er nichts. Empfiehlt die EU-Kommission aber nicht explizit, diese zu verlängern, dann läuft sie am 30. Juni automatisch aus.
«Situation darf nicht eskalieren»
Doch so weit ist es noch nicht. Offenbar ist bereits am Freitag eine weitere Sitzung angesetzt. Schweizer Politiker von links bis rechts reagieren denn auch (noch) weitgehend gelassen.
«Entscheidend ist, dass die Situation nicht eskaliert. Ich bin daher froh, dass die EU noch keinen definitiven Entscheid gegen die Verlängerung der Börsenäquivalenz getroffen hat», sagt CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (55, BL) als Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission (APK).
Nein zu SVP-Initiative als Signal an Brüssel
Um eine Eskalation zu verhindern, müssten weiter positive Signale nach Brüssel gesandt werden. Eines davon sei das Nein zur Begrenzungs-Initiative der SVP. Dafür hat Schneider-Schneiter extra für Mittwoch eine ausserordentliche Sitzung der APK angesetzt. «Die Kommission wird ein deutliches Nein beschliessen», ist sie jetzt schon überzeugt. «Und ich hoffe, dass dieses Signal in Brüssel auch wahrgenommen wird.» Ebenso, dass das Parlament auch bereit sei, eine weitere Kohäsionsmilliarde zu sprechen, «sofern wir nicht benachteiligt werden».
«Der Entscheid fällt der EU-Kommission offenbar nicht so leicht», sagt auch FDP-Fraktionschef Beat Walti (50). Jetzt dürfe hierzulande keine unnötige Hektik aufkommen. Geduld müsse jetzt die Devise sein, es dauere ja noch zwei Wochen bis Ende Juni, so Walti. Economiesuisse hingegen bedauert «das sich abzeichnende Auslaufen der Börsenäquivalenz». Nun bestehe das Risiko einer Eskalation, so der Wirtschaftsdachverband.
«Lohnschutz wichtiger als Börsenäquivalenz»
Und die Gewerkschaften? «Ich bedaure sehr, dass die EU nicht anerkennt, welche Fortschritte die Schweiz gemacht hat», sagt SP-Nationalrat und Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (39, BE). So habe das Stimmvolk gerade erst Ja zum neuen Waffenrecht und zur Beseitigung von Firmensteuer-Privilegien gesagt. «Und beim Rahmenabkommen müssen nur drei Punkte verbessert werden, die für die EU nicht essenziell sind.»
«Ich finde es schade, dass die EU nun weiter Druck macht», so Wüthrich. Sie müsse sich bewusst sein, dass die politischen Prozesse in der Schweiz länger dauerten. «Wenn die EU die Geduld verliert und Öl ins Feuer giesst, setzt sie die bilateralen Verträge aufs Spiel», warnt Wüthrich.
Nachgeben will der Gewerkschafter jedenfalls nicht. «Der Lohnschutz ist entscheidend für uns – und auch wichtiger als die Börsenäquivalenz.»
Wie du mir, so ich dir
Doch was, wenn die Börsenäquivalenz Ende Monat fällt? Aktienhändler und Investoren aus dem EU-Raum würden dann vom Schweizer Handelsplatz abgeschnitten. Investoren, die etwa in Paris sitzen, könnten keine Aktien mehr an der Schweizer Börse SIX kaufen und verkaufen.
Dann kommt der Plan B des Bundesrats zum Zug. Die Schweiz würde im Gegenzug die EU-Börsen ebenfalls nicht mehr anerkennen. Die Folge: Wenn ein EU-Aktienhändler attraktive Papiere von Schweizer Firmen handeln möchte, müsste er dies zwingend an der Zürcher Börse tun oder ausserhalb Europas – in New York, Singapur, Hongkong.
«Bundesrat muss mutig voranschreiten»
Die SVP, die ein Rahmenabkommen wegen dem Mechanismus der dynamischen Rechtsübernahme grundsätzlich ablehnt, verlangt vom Bundesrat, dass er jetzt mutig voranschreitet, wie Fraktionschef Thomas Aeschi (40) sagt. «Wir dürfen uns nicht von diesen Spielchen der EU irritieren lassen und der Bundesrat soll den Plan B per Ende Monat in Kraft setzen.»
Dieser Plan B funktioniere nur kurzfristig als Überbrückungslösung, glaubt hingegen CVP-Politikerin Schneider-Schneiter. Vor allem befürchtet sie aber, dass die EU die Schweiz auch andernorts piesacken wird. Als Nächstes steht etwa die Anerkennung der Medizinalprodukte an, wo ein negativer Entscheid zu Problemen führe, so die CVP-Frau. «Wir müssen mit der EU rasch eine Lösung finden, um die Beziehungen zu stabilisieren.»