Plötzlich muss der Tunnel nicht gesperrt werden
Leuthards Kehrtwende am Gotthard!

Egal, was das Volk zur zweiten Gotthard-Röhre sagt: Während 140 Tagen kann kein Auto durch den Berg fahren. Diese Tatsache gilt nicht mehr.
Publiziert: 23.09.2015 um 17:41 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 12:30 Uhr
Von Christof Vuille

In einem Monat sind Wahlen. Das wichtigste Thema nach geschlagener Schlacht ist der Bau einer zweiten Gotthard-Röhre. Bereits zu Beginn des Jahres 2016 dürfte das Stimmvolk darüber entscheiden, deshalb sorgt das Thema schon heute für rote Köpfe.

Und nun bringt ausgerechnet die Landesregierung Zunder in den Abstimmungskampf.

Bundesrat und Parlament sprechen sich für ein zusätzliches Loch aus, damit wir freie Fahrt durch den Berg haben. Der bestehende Tunnel würde nämlich erst saniert, wenn die neue Röhre gebohrt ist.

Klar war aber bisher: Egal wie die Abstimmung ausgeht, muss die erste Röhre geschlossen werden. In ihrer Botschaft ans Parlament rechnete Verkehrsministerin Doris Leuthard mit 140 Tagen – in den Jahren um 2020.

Total-Sperrung wegen Sicherheit

«Dies, weil im bestehenden Strassentunnel Überbrückungsmassnahmen vorgenommen werden müssen, um bis zur Inbetriebnahme der zweiten Tunnelröhre die Sicherheit zu gewährleisten», schrieb ihr Departement.

Die Sperrungen von 50 und 90 Tagen sollten im Frühling und Herbst gemacht werden, damit die Passstrasse als Ausweichweg in Frage käme. Doch nun ist plötzlich alles anders!

«Vertiefte Untersuchungen» durch das Bundesamt für Strassen (Astra) hätten nun ergeben, dass die nötigen Arbeiten «voraussichtlich im Rahmen der regulären Sperrnächte» durchgeführt werden können.

Es sollte möglich sein, das Ganze «ohne Vollsperrung» zu realisieren – egal ob mit oder ohne zweite Röhre. Das schreibt die Regierung in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage.

Astra: «Korrosion kann stärker gebremst werden»

Wie kommt es zur plötzlichen Kehrtwende? Astra-Sprecher Thomas Rohrbach sagt, die Untersuchungen hätten gezeigt, dass die «Korrosion an den Armierungseisen stärker gebremst werden kann als angenommen». Eine Schutzschicht werde das Eindringen von Salz und Feuchtigkeit verhindern.

Statt tagsüber soll die Zwischensanierung nun in Sperrnächten vonstatten gehen. Dabei wird die Baustelle jede Nacht nach der Sperrung ab 19 Uhr 30 neu eingerichtet und frühmorgens wieder entfernt.

Die Frage, ob diese Variante teurer oder billiger wird als mit der ursprünglich vorgesehenen Tagessperrung kann das Astra aktuell nicht beantworten. Generell sei Nachtarbeit aber «teurer als Arbeiten am Tag», sagt Rohrbach. «Zudem fallen bei diesem Vorgehen täglich Installationskosten an», erklärt er.

Für Grüne «inakzeptabel»

Im Bundeshaus löst das Manöver Stirnrunzeln aus. Für Grünen-Co-Chefin Regula Rytz ist es ein Zeichen dafür, dass die Röhrenbefürworter unter Druck sind. «Das Astra und Doris Leuthard nehmen bewusst höhere Kosten in Kauf, um den Tunnelbefürwortern ein neues Argument zu liefern.»

Die Sanierung in der Nacht würde nämlich wesentlich länger dauern als mit Vollsperrung, ist die Bernerin überzeugt. Und: «Das kostet mehr.»

Sie kenne die entsprechenden Unterlagen der neuen Untersuchungen nicht. Die Kommunikation des Astra sei in dieser Beziehung «inakzeptabel», denn das Parlament werde «an der Nase herumgeführt». Für sie ist klar: «Wer Ja sagt zur zweiten Röhre, nimmt in absehbarer Zeit doppelt so viel Verkehr in Kauf.»

Tessiner Tunnel-Befürworter: «Das ist fantastisch»

Freude herrscht bei den Befürwortern. Der Tessiner CVP-Nationalrat Fabio Regazzi, der die Anfrage gestellt hat, jubelt: «Das ist eine fantastische Neuigkeit. Für uns Tessiner heisst das, dass wir tagsüber durchgehend freie Fahrt in die Deutschschweiz haben, wenn wir Ja sagen.»

Bisher habe er sich stets gegen das Argument wehren müssen, dass der bestehende Tunnel ohnehin für lange Zeit gesperrt werde. Deshalb habe er auch die Frage gestellt. «Ich glaube, die Schliessung für die Zwischensanierung war ein ideologisches Vermächtnis von Moritz Leuenberger, um die zweite Röhre schlecht zu machen.»

Das zeigt: Der Abstimmungskampf läuft schon vor den eidgenössischen Wahlen an.

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