Den Lebensabend ohne Sorgen ausklingen lassen: Diese Idee steckt hinter der zweiten Säule. Die AHV zahlt für die Existenzkosten, die Pension für ein angenehmes Leben. Doch diese Rechnung wird je länger, je mehr zu einer romantischen Vorstellung, die mit der Realität nichts mehr zu tun hat. 2017 wird ein brutales Jahr für die Versicherten. «Wir müssen uns auf weitere schmerzliche Schritte gefasst machen», prophezeit Urban Hodel (31), Geschäftsführer des PK-Netzes, das die Arbeitnehmer in den Stiftungsräten der Pensionskassen (PK) unterstützt.
Die Kassen befinden sich in einem veritablen Sturm. Ihr Job: das Geld der Arbeitnehmer zu verwalten, zu vermehren und nach der Pension auszuzahlen. Doch die Zinsen sind am Boden, an den Märkten ist die Zeit der grossen Renditen passé. Gleichzeitig werden die Pensionäre älter und älter. Kurzum: Immer weniger Geld muss immer länger reichen. «Viele Kassen haben heute eine versteckte Unterdeckung. Selbst in gesunden Kassen tun sich Löcher auf», sagt Stefan Thurnherr (52), Pensionskassenspezialist des Vermögenszentrums (VZ).
Die PK sind zum Handeln gezwungen. Eine besonders beliebte Massnahme: Sie senken den Umwandlungssatz (siehe «Das Renten-ABC», unten). Was kompliziert klingt, ist nichts anderes als eine Rentenkürzung. Zwar bieten heute viele Kassen noch einen Umwandlungssatz um sechs Prozent. Doch: «Ich bin überzeugt, dass im Frühling 2018 die meisten Kassen bei fünf Prozent sind», so Spezialist Thurnherr. Innerhalb eines Jahres sinkt die Rente damit um 17 Prozent!
Für Stefan Thurnherr ist klar: «Die Pensionskassen haben versteckt Rentenalter 70 eingeführt. Sie sagen: Wenn ihr das heutige Rentenniveau wollt, müsst ihr halt fünf Jahre länger arbeiten.» Für Doris Bianchi (42) vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist die Schmerzgrenze erreicht. «Wenn der Umwandlungssatz unter fünf Prozent fällt, muss man sich fragen, ob sich bei so wenig Rente pro einbezahltem Franken dieses System noch rechtfertigt.» Viele Leute würden sich überlegen, sich das Geld auszahlen zu lassen und ins Ausland zu ziehen. Mit dem starken Franken komme man dort weiter als mit einer Rente in der Schweiz. Dabei sei das nicht der Sinn der Sache. «Das ist gefährlich! So tragen die Leute das Risiko und erhalten keine sichere Rente», warnt Bianchi.
Tatsächlich gibt es schon einige PK, die den Umwandlungssatz unter fünf Prozent gesenkt haben. SonntagsBlick liegt eine Liste von rund hundert Pensionskassen vor. Beispielsweise die Kasse des staatlichen Rüstungskonzerns Ruag. 2018 wird das angesparte Kapital zu einem Satz von gerade mal 4,56 Prozent in eine Rente umgewandelt. 2010 lag der Umwandlungssatz noch bei 6,8 Prozent. «Ruag ist ein Negativbeispiel. Dort wird es sehr hart», stellt Urban Hodel fest. Er erwartet aber weitere solche Fälle.
Hans Peter Konrad (58), Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands Asip, bleibt optimistisch. «Die Pensionskassen haben es immer wieder geschafft, die jeweiligen Herausforderungen zu meistern.»
Tatsächlich sind die PK äusserst kreativ, wenn es ums Sparen geht. Sie können:
- Mehr Lohnprozente von den Angestellten fordern, wie etwa die Manor-Kasse. Das ist faktisch eine Lohnkürzung.
- Den Rentenbezug beschränken. Pensionierte bekommen nur noch eine Rente bis zu einem bestimmten Betrag. Alles darüber müssen sie sich bar auszahlen lassen – und tragen dafür das volle Risiko. Die Credit Suisse machte es letztes Jahr vor.
- Das Rentenalter offiziell auf über 65 Jahre erhöhen. Wollen die Angestellten den vollen Betrag, müssen sie länger arbeiten, als es das Gesetz vorsieht, wie etwa beim Verlag AZ Medien.
Ein Ausweg aus der Negativspirale ist nicht in Sicht. «Wir brauchen jetzt eine politische Reformvorlage, welche von der Bevölkerung gestützt wird», so Konrad.
Doch weil auch die AHV wankt, wollen bürgerliche Politiker die zweite Säule stärken. Den Versicherten bleibt nur die Einsicht: Wer es am Ende des Lebens ein wenig gemütlich haben will, sollte früh anfangen zu sparen (siehe: Das können Sie für Ihre Rente tun)
Drei-Säulen-Prinzip
Die Schweizer Altersvorsorge ruht auf drei Säulen: AHV und berufliche Vorsorge (Pensionskasse) sind obligatorisch. In die dritte Säule zahlt man freiwillig ein.
Pensionskassen
Das sind die Vorsorgeeinrichtungen der Arbeitgeber. Firmen können entweder eigene Kassen betreiben oder sich einer Pensionskasse anschliessen.
Technischer Zins
Das ist eine Bezeichnung für die Rendite-Erwartung einer Pensionskasse. Bei vielen Kassen liegt er aktuell um zwei Prozent. Von ihm leitet sich der Umwandlungssatz ab.
Umwandlungssatz
Er legt fest, zu welchem Wert das angesparte Kapital in eine Jahresrente umgewandelt wird. Bei 500'000 Franken Pensionskapital entspricht ein Umwandlungssatz von 6 Prozent 30'000 Franken Rente pro Jahr, bei einem Satz von 5 Prozent sind es noch 25'000 Franken.
Drei-Säulen-Prinzip
Die Schweizer Altersvorsorge ruht auf drei Säulen: AHV und berufliche Vorsorge (Pensionskasse) sind obligatorisch. In die dritte Säule zahlt man freiwillig ein.
Pensionskassen
Das sind die Vorsorgeeinrichtungen der Arbeitgeber. Firmen können entweder eigene Kassen betreiben oder sich einer Pensionskasse anschliessen.
Technischer Zins
Das ist eine Bezeichnung für die Rendite-Erwartung einer Pensionskasse. Bei vielen Kassen liegt er aktuell um zwei Prozent. Von ihm leitet sich der Umwandlungssatz ab.
Umwandlungssatz
Er legt fest, zu welchem Wert das angesparte Kapital in eine Jahresrente umgewandelt wird. Bei 500'000 Franken Pensionskapital entspricht ein Umwandlungssatz von 6 Prozent 30'000 Franken Rente pro Jahr, bei einem Satz von 5 Prozent sind es noch 25'000 Franken.