Peinlicher Besuch in der Schweiz
Chinas Tibeter auf Werbetour

China macht Werbung für seine Tibet-Politik. Der offiziellen Schweiz ist der Besuch peinlich. Exil-Tibeter kritisieren die unkritische Haltung.
Publiziert: 19.10.2019 um 23:29 Uhr
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Der Tibeter Nyima Cering trifft den Berner Regierungsrat Schnegg.
Foto: Keystone
Peter Lüscher

Wer den Begriff «Oberhaupt der Tibeter» hört, denkt an den Dalai Lama. Nachdem China 1950 in den Himalaya-Staat einmarschiert war, verlegte die offizielle Regierung Tibets ihren Sitz ins indische Exil. Seitdem beherbergt die Schweiz die grösste Gemeinde von Exiltibetern in Europa, die der Dalai Lama regelmässig besucht – zuletzt im April, als er in Rikon ZH zu Gast war.

In der chinesischen Provinz Tibet regieren heute eine von China eingesetzte Regierung und ein Parlament, der tibetische Volkskongress.

Eine Delegation dieser Versammlung besuchte in den vergangenen Tagen die Schweiz. Es gab Begegnungen mit Politikern verschiedener Kantone, bei denen auch Fotos gemacht ­wurden.

Das Schweigen der Schweiz

Und doch versandten die ­Schweizer Behörden keine einzige Medienmitteilung darüber: Der ­Besuch ist ihnen offensichtlich peinlich.

Ganz anders das Dutzend mitgereister Journalisten aus China, die jedes Treffen akribisch dokumentierten und in die Heimat meldeten. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua veröffentlichte gleich mehrere Berichte über die mehrtägige Reise.

Empfangen wurde die Delega­tion unter der Leitung des Vizepräsidenten des tibetischen Volkskongresses, Nyima Cering, unter anderem vom Stadtzürcher Gemeinderat.

Zunächst habe man auf das entsprechende Gesuch zurückhaltend reagiert, versicherte Parlamentspräsident Heinz Schatt (65, SVP) auf Anfrage von SonntagsBlick. «Wir schrieben in einem freund­lichen Brief, dass eher Bund oder Kanton die richtigen Ansprechpartner wären.»

«Es gab Züri-Gschnätzlets»

Als die China-Tibeter nachhakten, empfing man die Delegation dann doch. Schatt: «Es gab Züri-Gschnätzlets zum Zmittag, und ich erklärte ihnen, dass bei uns im Parlament sieben Parteien sitzen – und nicht nur eine.» Den Chinesen sei wichtig gewesen, die Fortschritte in Tibet nach Chinas Machtübernahme hervorzuheben. Auch vom Kanton Bern wurde die Gruppe empfangen. Dort begrüsste Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (57, SVP) die Besucher aus Lhasa.

In der tibetischen Exilgemeinde erntete der Besuch Kritik, wie Thomas Büchli von der Gesellschaft für Schweizerisch-Tibetische Freundschaft sagt. Denn die Lage für die Menschen in Tibet sei unverändert schlecht: «Es gibt keine freie Meinungsäusserung und keine Religionsfreiheit.» Die tibe­tische Gemeinde in der Schweiz sieht vor allem die zunehmende Einflussnahme Chinas auf die Schweizer Tibet-Politik kritisch.

«Zum einen werden Vertreter der tibetischen Exilregierung von der offiziellen Schweiz nicht empfangen», so Büchli, «auf der anderen Seite hofiert man die Marionetten der chinesischen Regierung.»

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