Die SVP ist stolz auf ihre Fraktionsdisziplin. Im Falle der Olympischen Winterspiele Sion 2026 vollführte die Rechtspartei nun aber sogar eine Pirouette, die ihr locker eine Medaille im Eiskunstlauf einbringen würde.
Dienstag vor einer Woche: Die grösste Fraktion im Bundeshaus beschliesst mit 27 zu 25 Stimmen, eine Motion der Bündner SP-Nationalrätin Silva Semadeni (66) abzulehnen. Die Motion verlangt, dass nicht nur die Walliser über die Olympiakandidatur entscheiden können, sondern die ganze Eidgenossenschaft. Damit bringt sie den Zeitplan der Bewerbung unter Druck. Diese Woche nun sagte der Nationalrat mit 92 zu 87 Stimmen Ja zu Semadenis Vorstoss.
Viele SVP-Parlamentarier hatten die Seiten gewechselt. Plötzlich votierten nur 19 Nationalräte gegen die Vorlage, 43 befürworteten jedoch eine Volksbefragung – der Beschluss der Fraktionssitzung in der Vorwoche wurde ins Gegenteil gekehrt.
Blocher stand hinter Semadeni-Vorstoss
SonntagsBlick weiss: Dass die SVP-Politiker über Nacht zu Olympia-Kritikern mutierten, hat einen Grund – Christoph Blocher (77). Der Noch-Parteistratege, der mit Sport überhaupt nichts anfangen kann, bearbeitete Parteimitglieder per SMS und forderte sie auf, das Anliegen der linken Semadeni zu unterstützen. Das alles in der Hoffnung, so der Kandidatur der Walliser gehörig zu schaden.
Der erfolgreiche Eingriff von Blocher entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Immerhin hat er erst vergangene Woche angekündigt, sich aus der Parteileitung zu verabschieden und sein Amt am kommenden Samstag an der Delegiertenversammlung in Klosters GR zur Verfügung zu stellen. Zudem gab der Politsenior zum Besten, er wolle seine Kräfte einteilen und sich auf den Kampf gegen die Anbindung der Schweiz an die EU konzentrieren. Für einen Querschuss gegen die Walliser Olympia-Ambitionen reichen die Kräfte offensichtlich aber immer noch locker.
Nicht alle SVPler haben Freude
Bei den Sportfreunden innerhalb der SVP sorgt Blochers Einmischung für rote Köpfe. «Ich verstehe nicht, dass wir einfach unseren eigenen Fraktionsentscheid umstossen», sagt Nationalrat Thomas Hurter (54). Der Schaffhauser Politiker ist ein glühender Anhänger einer Bewerbung für die Winterspiele in acht Jahren. «Wir würden der ganzen Welt zeigen, dass wir Olympische Spiele ganz im Sinne des Sportes und auch wieder mit einem vernünftigen Aufwand durchführen könnten.» Mit riesiger Begeisterung und vollen Zuschauerrängen.
Vor den Kopf gestossen fühlt sich auch SVP-Nationalrat Franz Ruppen (47). Der Oberwalliser ist ebenfalls ein Befürworter einer Kandidatur seines Kantons: «In einer Woche haben etliche Mitglieder der Fraktion die Seiten gewechselt. Das kam für mich doch sehr überraschend.»
Dass Blocher jetzt bei Olympia den Takt vorgibt, ist für die Partei tatsächlich nicht ohne. Immerhin sind es seine Leute, welche die Sportpolitik des Landes seit Jahrzehnten prägen. Nationalrat Jürg Stahl (50) amtet als Präsident von Swiss Olympic und OK-Chef der Kandidatur Sion 2026. Das Sportdepartement ist seit Ewigkeiten in den Händen der SVP.
Doch vielleicht ist die Sportbegeisterung ja relativ. Das zeigt das Beispiel von Nationalrat Adrian Amstutz (64). Der Berner war Mitglied des Exekutivrates des Schweizerischen Olympischen Komitees. Was ihn nicht daran hinderte, diese Woche mit den Olympia-Gegnern zu stimmen.