Der Bundesrat hat zum letzten Mal den Entwurf des Rahmenabkommens in die Hand genommen – und zerrissen. Das war die richtige Entscheidung.
So manch ein Staat beneidet die Schweiz um ihr Privileg, Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu haben, ohne Teil der EU zu sein. Zu Recht. Denn auf dem bilateralen Weg sind wir sehr gut unterwegs. Unsere Regierung hat es in den letzten sieben Jahren nicht geschafft, mit der EU ein Abkommen auszuhandeln, das für die Schweiz annehmbar gewesen wäre – kein Ruhmesblatt. Umso wichtiger, dass der Bundesrat mit dem Verhandlungsabbruch dieses Scheitern klar gemacht hat. Dafür übernimmt er jetzt Verantwortung. Dafür ist ihm zu gratulieren.
Er hat Verheissungen widerstanden, lukrative Abkommen mit der EU abzuschliessen. Er will die Kröten nicht schlucken: Wir hätten die Aufsicht über den Lohnschutz nach Brüssel delegieren und zulassen müssen, dass EU-Bürger von unserer Sozialhilfe profitieren, auch wenn sie hier nie gearbeitet haben. Unsere Regierung sagte «nein danke».
Das ist richtig. Denn wer glaubt, Bürgerinnen und Bürger hätten all die Abstriche hingenommen, irrt. Auch wenn geschickte Bevölkerungsbefragungen Zustimmung fürs Rahmenabkommen suggerieren – das Volk hätte das abgelehnt. Bürgerliche hätten womöglich Abstriche beim Lohnschutz akzeptiert, Linke die Ausdehnung der Sozialhilfe auf arbeitslose EU-Bürger. Aber unter dem Strich wäre das Abkommen gescheitert. Denn fast jeder hätte einen Punkt dagegen angebracht. Neben Freisinnigen und SPlern hätten SVP-Wähler aus Prinzip dagegen gestimmt und die Mitte-Partei hätte mit Blick auf den Europäischen Gerichtshof abgewunken.
Doch wer sich wie die EU nicht vor Volksentscheiden zu fürchten braucht, kann solche Überlegungen nur schwer nachvollziehen. Für Bürger zählen Argumente. Dass Brüssel den Bundesrat beschuldigt, nie Vorschläge gemacht zu haben, mag in der EU verfangen, bei uns nicht. Schnee von gestern. Jetzt zählt: Auch wenn die Strasse nun holpriger wird – der bilaterale Weg besteht weiter. Für die Schweiz ist das Scheitern kein Grund zur Freude, für Brüssel kein Anlass zu Rachegelüsten. Zu wichtig ist das Miteinander, zu eng die Verbundenheit.
Die Schweiz muss sich jetzt klar werden, was ihr wirklich wichtig ist und was sie dafür hergibt. Und die EU-Zentrale kann lernen, dass Politik die Menschen mitnehmen muss. Auch wenn Rom, Wien, Paris und Berlin womöglich irritiert sind: Am Schluss könnte der Entscheid vom 26. Mai 2021 nicht nur für Bern ein Gewinn sein.