Konkordanz ist das derzeit meistgewählte Wort in Bundesbern. Es bedeutet den Einbezug aller wichtigen Parteien in der Regierung. Mit dem Ziel, breit abgestützte Kompromisslösungen zu finden.
Entsprechend bemühen die Parteistrategen das Wort bei jeder Gelegenheit. Vor allem aber füllen sie es so mit Inhalt, dass es zum jeweiligen Machtanspruch passt.
Grüne wählen SVP partout nicht
Nach dem historischen Wahlsieg im Nationalrat und den Sitzgewinnen im Ständerat haben die Grünen gemäss eigenen Aussagen «Anspruch» auf einen Sitz im Bundesrat. «Das ist Konkordanz», so Parteichefin und Bundesratskandidatin Regula Rytz (57) im SonntagsBlick.
Was die Grünen derzeit nicht gerne hören: In der Vergangenheit verwehrten sie den offiziellen SVP-Kandidaten meist ihre Stimmen. Obwohl die Volkspartei gemäss Konkordanz ganz klar Anrecht auf die jeweiligen Sitze hatte. Stattdessen griffen sie mit Sprengkandidaten selbst an – selbstverständlich ohne rechnerischen Anspruch.
2003, bei der Blocher-Wahl, gaben die Grünen die Stimmen CVP-Frau Ruth Metzler (55). Bei der Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf (63) 2011 selbstverständlich der BDPlerin und nicht der SVP. Zum Teil wählten die Grünen einfach mal eine Mitte-Frau, um der SVP eins auszuwischen – etwa 2015 CVP-Frau Viola Amherd (57). Gewählt wurde Guy Parmelin (60).
Hätten sich die Grünen mit ihren Störmanövern jeweils durchgesetzt, würden heute keine SVPler in der Regierung sitzen. Hingegen mindestens ein Grüner und zwei CVPler. Konkordanz sieht anders aus!
CVP mit hilflosem Versuch des Machterhalts
Die CVP unterstützt die Grünen bei ihrem Bundesrats-Abenteuer nicht. Parteichef Gerhard Pfister (57) fordert aber einen Konkordanz-Gipfel für die künftige parteipolitische Vertretung im Bundesrat.
Seine Lösung präsentiert Pfister aber bereits. So sollen die Mandate der Parteien im National- und Ständerat entscheidend sein. Und nicht der Wähleranteil. Grund: Würde der Wähleranteil auf die seit 1959 gültige Zauberformel angewendet – zwei Sitze für die drei grössten Parteien und einen Sitz für die viertgrösste Partei – würde die CVP aus der Regierung fliegen.
Pfister muss sich auf die CVP-Macht im Ständerat berufen, um gemäss Konkordanz den CVP-Bunderatssitz zu verteidigen.
SP strebt Linksrutsch an
Die SP dürfte am 11. Dezember Regula Rytz unterstützen. Weil sie einen FDP-Sitz angreift. Noch-Parteichef Christian Levrat (49) begründet den grünen Anspruch mit der Wählerstärke.
Was die Linke jedoch nicht sagt: SP und Grüne, die fast deckungsgleich politisieren, kommen zusammen auf einen Wähleranteil von 30 Prozent – was genau 2,1 Bundesräten entspricht. Gemäss Konkordanz aber sicherlich nicht drei, wie sie nun verlangen.
Das Ziel der SP ist klar: ein Linksrutsch in der Regierung.
SVP mit einziger Doppelvertretung
Ebenso durchsichtig ist der Vorschlag von Christoph Blocher (79). Der SVP-Übervater schlug in der «Sonntagszeitung» den Rückzug von je einem SP- und FDP-Bundesrat vor.
An ihrer Stelle soll je eine Person von den Grünen und den Grünliberalen in die Regierung einziehen. Damit «würde die zahlenmässige Konkordanz einigermassen eingehalten», so Blocher.
Der Hintergedanke des Strategen: Die SVP wäre die einzige Partei mit zwei Vertretern und könnte in der Regierung dominanter auftreten.
FDP mit strategischen Rücktritten
Die FDP wiederum rechtfertigt ihre zwei Sitze damit, dass sie gemäss Wähleranteil drittstärkste Partei ist. Auch dürfen gemäss Freisinn ihre Magistraten Ignazio Cassis (58) oder Karin Keller-Sutter (55) nicht abgewählt werden, weil eine stabile Regierung zum Konkordanzsystem Schweiz gehöre, wie Parteichefin Petra Gössi (43) landauf, landab betont.
Zu diesem System gehört aber auch, dass Bundesräte für eine Legislatur gewählt werden. Didier Burkhalter (59) dankte jedoch gegen Ende 2017 gemäss eigenen Angaben ab, weil ihn das EU-Dossier frustrierte. Ein Jahr später folgte Johann Schneider-Ammann (67).
Mit zwei neuen Bundesräten kurz vor dem historischen Wahlsieg der Grünen gelang es der FDP, ihre Macht für mindestens ein Jahrzehnt zu zementieren. Schliesslich kündigte Cassis bereits an, mindestens zehn Jahre Bundesrat bleiben zu wollen.