Parteien und das EU-Dossier
Schweizer Selbstgespräche

FDP und Mitte fällt es offensichtlich schwer, sich mit der unbequemen Realität auseinander zu setzen.
Publiziert: 07.11.2021 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2022 um 17:42 Uhr
Ideen aus der europapolitischen Mottenkiste: Parteipräsidenten Gerhard Pfister (Mitte) und Thierry Burkart (FDP).
Foto: keystone-sda.ch
Camilla Alabor

Er traute sich, Klartext zu sprechen. Wenig später wurde er in die politische Bedeutungslosigkeit verbannt.

2013 sprach Botschafter Yves Rossier, damals zuständig für die Verhandlungen mit der EU, das Problem direkt an: «Ja, es sind fremde Richter, es geht aber auch um fremdes Recht.»

Schon damals waren die Rolle des Europäischen Gerichtshofs und die Frage, wie sich Streitigkeiten bei der Auslegung der bilateralen Verträge lösen lassen, das zentrale Thema.

In den Gesprächen zwischen Brüssel und Bern prallten zwei diametral gegensätzliche Auffassungen aufeinander. Gemäss EU-Recht darf nur der Europäische Gerichtshof in letzter Instanz über europäisches Recht entscheiden. Derweil forderte die Schweiz, just jenen EuGH aus dem Rahmenabkommen auszuklammern.

Rossier machte sich angesichts der verfahrenen Situation daran, mit seinem EU-Gegenpart eine kreative Lösung zu suchen. Zu dieser hätte indes gehört, dass die Schweiz den EuGH akzeptiert. Für den Chefunterhändler war diese Konzession «im Prinzip logisch». Rossier: «Es geht um EU-Recht, das die Schweiz freiwillig bei sich anwenden will.»

Acht Jahre und einen Verhandlungsabbruch später scheint diese simple Botschaft in der Schweizer Politik noch immer nicht angekommen zu sein. So brachte FDP-Präsident Thierry Burkart diese Woche – anstelle des EuGH – erneut ein Schiedsgericht ins Spiel. Ungeachtet dessen, dass der EuGH ein zweites Gericht, das EU-Recht auslegt, nicht zulässt.

Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister ist bekanntlich kein Fan des Europäischen Gerichtshofs. Er nannte ihn einst «toxisch». Im «Echo der Zeit» aber machte er sich diese Woche für «sektorielle Problemlösungen» stark. Auch dies steht völlig quer zum Beharren der EU auf einem einzigen Mechanismus zur Streitbeilegung.

Kurzum: Sowohl die FDP als auch die Mitte stellen Forderungen auf, von denen sie wissen, dass sie einem Realitätstest nicht standhalten. Statt sich selbst und der Bevölkerung einzugestehen, dass die Schweiz nicht den Fünfer und das Weggli haben kann – den fortwährenden Zugang zum EU-Binnenmarkt unter Ausklammerung des EuGH –, bauen sie munter weiter an Luftschlössern.

Von der SP ist derweil gar nichts zu hören. Kein Wunder: Ihr deklariertes Ziel eines EU-Beitritts steht in direktem Gegensatz zur gewerkschaftlichen Ablehnung des EuGH.

Von den Parteien ist nicht zu erwarten, dass sie nach dem Verhandlungsabbruch durch den Bundesrat mit pfannenfertigen Lösungen kommen. Ebenso wenig geht es darum, sich sämtliche Forderungen der EU zu eigen zu machen.

Aber wenn die Parteipräsidenten weiterhin die tatsächlichen Machtverhältnisse zwischen der Schweiz und der EU negieren und Scheinlösungen propagieren, welche Brüssel seit jeher ablehnt – dann kommen wir einer Lösung keinen Schritt näher.

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