Es hätte der Höhepunkt des Wahlkampfs 2015 werden können: die grosse Debatte mit acht Parteichefs in der «Arena» des Schweizer Fernsehens.
In der heissesten Phase vor dem Urnengang würden sie dort darüber streiten, was das Volk wirklich bewegt: Flüchtlinge, starker Franken, Altersvorsorge, Europäische Union.
Doch weit gefehlt. Die Wahl-«Arena» geriet zum Flop.
Schon während der Sendung lästerten Unzählige im Internet. «Zwei Wochen vor den Wahlen kann man offenbar nicht mehr konstruktiv diskutieren. #fail #srfarena», schrieb @StrebelLuca auf Twitter. «Liebes @SRF was sollte dieser Quatsch in der #srfarena?», fragte @AlainS1991. Zuschauerin @Hofmann-Maja: «Dieses Sendekonzept sollte nicht wiederholt werden. Zu viele Themen, zu wenig Tiefe.» Andere sehnten vergangene Tage herbei, so auch @AleHaeu: «Früher mochte ich die #srfarena und habe sie regelmässig geschaut. War damals informativ. Schade, was daraus geworden ist.»
Nicht nur die Zuschauer ärgern sich über die Polit-Show, moderiert von Jonas Projer (34). Politiker von links bis rechts sind sich für einmal einig: So geht das nicht.
Laut SP-Parteipräsident Christian Levrat (45) «ist das Experiment gescheitert». Zwar sei er «ein Fan» der Sendung spät am Freitag. Diesmal sei sie «deutlich unter ihrem Niveau geblieben». Die Präsidenten hätten bloss ihre Parolen zum Besten gegeben. «Es blieb zu wenig Zeit, um die verschiedenen Themen zu diskutieren und auf Gegenargumente einzugehen.»
Nicht weniger harsch urteilt SVP-Chef Toni Brunner (41). «Weniger wäre mehr gewesen», meint er. «Von mir aus könnte das SRF dieses Konzept wieder vergessen.»
Überall in der Welt profilieren sich TV-Sender vor den Wahlen mit politischen Debatten. Das Publikum mag es, wenn sich der Moderator im Hintergrund hält und die unterschiedlichen Positionen der Kandidaten klar werden. Doch statt nachzuahmen, was anderswo funktioniert, setzte die «Arena» auf ein künstliches, kompliziertes Konzept: Projer versuchte die Parteichefs dazu zu zwingen, die Themen der anderen zu diskutieren. Statt für ihre Positionen zu werben, sollten sie über den Wahlkampf der anderen urteilen. «Ist es gelungen? Jein!», räumt Projer ein. «Aber wurde nicht sehr deutlich klar, wie schwer es manchen Politikern fällt, aufeinander zuzugehen?»
Nur: Ist das noch gutes Fernsehen? Die «Arena» wirkte vorgestern wie gedopt. Zu viele Kameras zeigten zu viele Köpfe, die zu kurz über zu viel sprachen. Und zwar in einer Kulisse, die an «Hunger Games» oder die Donnerkuppel aus «Mad Max» erinnert. Als könnten überdrehte Regie und aufgeblasene Ausstattung den klammen Inhalt kaschieren.
Im Mittelpunkt ein Dompteur, der sich selbst ins Zentrum stellte. Und die Gäste wie bei Interviews befragte, statt eine Debatte zu provozieren.
Die Inhalte – das, was die Schweiz bewegt – blieben auf der Strecke.
BDP-Präsident Martin Landolt (47) hätte zwei «Arenas» mit vier statt eine mit acht Parteien bevorzugt. «Die Sendung am Freitag verlief undiszipliniert», sagt der Glarner Nationalrat. «Die Präsidenten der vier grossen Parteien fielen sich andauernd ins Wort.»
Der Chef der Freisinnigen, der Aargauer Philipp Müller (63), fand die Debatte oberflächlich, vermisste einen echten Schlagabtausch – und rät: «Eine vertiefte Auseinandersetzung beispielsweise zum aktuellen und sehr emotionalisierten Thema Asyl wäre höchst interessant in einer Zweierbesetzung.»
Für CVP-Präsident Christophe Darbellay (44) ging alles «viel zu schnell, um den komplexen Themen gerecht zu werden»: «Die Sendung verlief chaotisch.» Der Walliser weiter: «Von der Wirtschaft, dem starken Franken und den gefährdeten Arbeitsplätzen war keine Rede. Aber gerade diese Fragen beschäftigen die Wähler vor dem 18. Oktober!»
Zu denken geben muss den «Arena»-Machern, dass immer mehr Wählerinnen und Wähler wegzappen. Durchschnittlich schalteten im ersten Halbjahr 2015 noch 179000 Zuschauer ein. Letztes Jahr lag der «Arena»-Schnitt bei 190'000. Bei der Sendung «Jungparteien zur Wahl» am 25. September waren es nur 117'000. Zum Vergleich: Als der heutige Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger (62) in den 90er-Jahren die «Arena» moderierte, schauten mehr als 300'000 zu. Leutenegger hatte einen Marktanteil von 37 Prozent – bei Projer sind es 19 Prozent.
Die «Arena» habe intensiv über den Urnengang am 18. Oktober berichtet, wehrt sich Jonas Projer. «Wir haben alle diese Themen in den letzten Wochen mit eigenen ‹Arenas› und ganzen Thementagen vertieft», sagt er. Und die Sendung am Freitag? «Das war die Ehrenrunde.»
Vom Konzept der alten, streitlustigen «Arena» hält er nichts: «Ich bekomme täglich Post von Zuschauern, die genug haben von Wahlkampf-Phrasen. Die wollen, dass die Politiker aufeinander eingehen. Für diese Zuschauer war diese ‹Arena›.»
Über die Bücher will man beim Schweizer Fernsehen vorerst nicht gehen. «So kurz vor den Wahlen wird es immer schwieriger, eine Sendung zu machen, die für das Publikum attraktiv ist», sagt Projers Chef, SRF-Direktor Ruedi Matter (61). «Und mit diesem Ansatz ist die ‹Arena› meiner Meinung nach gelungen.»
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