1000-mal gefordert, 1000-mal ist nix passiert … Und dann kam die Notfusion von UBS und CS. Wird dies zum Untersuchungsgegenstand einer Parlamentarischen Untersuchungskommission? Frühestens nach der Sommersession werden wir wissen, ob der Zoom des Parlaments in Form einer PUK auf die Verantwortlichkeiten der Behörden fällt. Allerdings: Nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Kantonsebene wird zwar häufig nach einer PUK verlangt, jedoch äusserst selten eine eingesetzt – ganz im Gegensatz zu unserem nördlichen Nachbarland. Aktuell gibt es 25 Untersuchungsausschüsse, so die Bezeichnung in Deutschland, auf Bundes- und Landesebene. Warum diese Unterschiede?
Einerseits verfügen bestehende Aufsichtskommissionen in der Schweiz an sich über starke Kontrollmöglichkeiten. Andererseits muss der Deutsche Bundestag auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einsetzen – bei uns hingegen bedarf es hierfür zwingend einer Mehrheit.
In Deutschland ein Minderheitsrecht
Die Einberufung eines Untersuchungsausschusses ist in Deutschland eines der sogenannten Minderheitenrechte, also ein Recht von Fraktionen, die nicht in der Regierung vertreten sind. Dieses Mittel ist im deutschen Parlamentarismus sehr bedeutend. So wurde in der Wahlperiode 2013–2017 die nötige Stimmenzahl zur Wahrnehmung der Minderheitenrechte auf ein Fünftel gesenkt, weil die Opposition aus Linke und Bündnis 90/Die Grünen lediglich 127 von 630 Parlamentssitzen innehatte (AfD und FDP waren damals nicht im Bundestag vertreten). In den Bundesländern sind die Bestimmungen ähnlich – demgegenüber haben die Schweizer Kantone St. Gallen, Appenzell Innerrhoden und Thurgau keine Rechtsgrundlage für die Einsetzung einer PUK.
Wird im Deutschen Bundestag ein Antrag für einen Untersuchungsausschuss gestellt, so gilt das Beschleunigungsprinzip: Die Abstimmung im Parlament muss möglichst unverzüglich stattfinden. Verzögerungs- und Verschleppungstaktiken sollen die parlamentarische Kontrolle nicht erschweren können. Der formelle Beschluss fällt «nur» durch die erste Kammer (Bundestag), im Gegensatz zur Schweiz: Im Jahr 2010 wurde eine PUK gefordert, um zu untersuchen, «welche Rolle die Bundesbehörden bei der Überwachung und Regulierung des Finanzsektors, insbesondere im Fall UBS und im Zusammenhang mit der Finanzkrise, gespielt haben». Der Nationalrat unterstützte das Anliegen, der Ständerat war dagegen – somit war eine PUK vom Tisch.
In der Schweiz selten mehrheitsfähig
Während der Gegensatz zwischen parlamentarischen Regierungsfraktionen auf der einen und Oppositionsfraktionen auf der anderen Seite auch bei der Untersuchung sichtbar ist – manche Beobachter lassen sich zur Bemerkung hinreissen, einige Untersuchungskommissionen seien Kampfmittel der Opposition –, werden bestehende Aufsichtskommissionen in der Schweiz nicht so gesehen. Diese Gremien überprüfen die Arbeit von Regierung und Verwaltung parteiübergreifend. Hingegen ist die Forderung nach einer PUK auch in der Schweiz in aller Regel durchaus parteipolitisch gefärbt. Dadurch wird die PUK zum Ausnahmefall, weil sich nur selten mehr als die Hälfte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier dafür aussprechen. Dies hingegen erhöht ihre Bedeutung und stärkt ihren Zweck, «Vorkommnisse von grosser Tragweite» zu untersuchen, erheblich.
Doch was ist ein «Vorkommnis von grosser Tragweite»? In Deutschland wird dies so konkretisiert: Ein Untersuchungsausschuss wird eingesetzt, wenn das Parlament oder Teile davon das Vertrauensverhältnis zur Regierung als beschädigt ansehen und/oder die Abklärung und Informationsbeschaffung anders nicht möglich sind.
Vielleicht liesse sich anhand dieser Kriterien die Frage beantworten, ob es für die Causa UBS-CS eine PUK braucht oder nicht. Unabhängig davon, ob nun via PUK oder nicht: Eine der wichtigsten Funktionen – womöglich gar die wichtigste Funktion – des Parlaments ist die Kontrolle der Regierung.
* Michael Strebel ist promovierter Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Parlamentarismus und politische Systeme. Er hat verschiedene Lehraufträge und ist Autor des im Helbing Lichtenhahn Verlag erschienenen Buchs «Das schweizerische Parlamentslexikon».