Ein «Dank- und Denkbuch» sollte die 2015 von Raiffeisen herausgegebene Festschrift für Pierin Vincenz (61) sein. Lobreden auf den Banker hielten darin auch Politiker der «Raiffeisen-Fraktion». Was damals als Dank gedacht war, gibt den Autoren heute zu denken.
Peinlich sind die Lobhudeleien vor allem jenen, die Vincenz damals besonders überschwänglich lobten. So peinlich, dass sie sich heute nicht einmal mehr mit dem Buch fotografieren lassen wollen.
CVP-Ständerat Pirmin Bischof (59) zum Beispiel. «Was die Heiligen für die katholische Kirche bedeuten, ist Pierin Vincenz bis zu einem gewissen Grade für die Schweizer Finanzbranche», schrieb der «Bischof von Solothurn» 2015. Mit einem Augenzwinkern schon damals, wie er sich heute rechtfertigt.
Grundsätzlich sei seine Beurteilung aber die gleiche: «Pierin Vincenz hatte ein gutes Gschpüri. Er sah Ereignisse voraus, die dann auch eintrafen: Zum Beispiel, dass die Schweiz den automatischen Informationsaustausch nicht verhindern kann.»
Unwirsche bis trotzige Reaktionen
Unwirsch bis trotzig reagieren hingegen Bischofs CVP-Kollegen Filippo Lombardi (61) und Stefan Engler (57). Die Ständeräte weigern sich genau wie Bischof, mit dem Buch zu posieren. «Ich stehe zu ihm, solange ihm keine Verfehlung nachgewiesen ist», sagt Engler, der als Bündner die Bergler-Qualitäten von Vincenz weiterhin rühmt.
Lombardi, der im Buch gesteht, dass er sich der Sympathie von Vincenz nicht entziehen konnte, bellt, von BLICK mit seinen salbungsvollen Zeilen konfrontiert, lautstark: «Was soll ich sagen? Ich hatte einen sehr guten menschlichen Eindruck von ihm!»
«Damals konnte ich das unterschreiben»
Andere nehmen die Konfrontation mit ihrem Œuvre – nach etwas Anlauf – leichter. SVP-Ständerat Peter Föhn etwa, der unter dem Titel «Einä vo üüs» geschrieben hatte: «Pierin Vincenz verstand es immer und immer wieder, mit seinem Charme und seinem Können das Beste für Raiffeisen und ihre Zukunft herauszuholen.»
Heute sagt Föhn: «Einä vo üüs ist er immer noch. Aber egal, wer vo üüs ä Seich macht, er muss dafür geradestehen!» Und fügt nachdenklich an: «Er hat ja sicher genügend Lohn gehabt.»
Merklich unwohl ist es dem Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder (66) und seinem Urner CVP-Ratskollegen Isidor Baumann (62), als sie im Buch blättern. Eder meint: «Damals konnte ich das unterschreiben.» Doch auch ihm sei einmal mehr klar geworden: «Man sieht nicht in einen Menschen hinein.»
Baumann blickt auf ähnliche Weise zurück: «Er hob sich damals wohltuend ab von den anderen Top-Bankern.» Er weiss aber auch, dass «wir im Paradies wären, wenn alle Top-Geschäftsleute nur reich würden von dem, das sie verdienen».
Wer sachlich schrieb, kann es locker nehmen
Voll und ganz hinter seinem sachlichen Artikel über eine mögliche Zukunft der Genossenschaftsbank Raiffeisen als Aktiengesellschaft steht SVP-Nationalrat Thomas de Courten (51). Er will erst die Untersuchungsergebnisse abwarten.
Genauso wie Bundesrat Johann Schneider-Ammann (65). Es sei Sache der Behörden, Klarheit zu schaffen. Der Wirtschaftsminister will sich daher nicht zu Vincenz äussern. In seinem Beitrag im «Dank- und Denkbuch» hatte er positiv hervorgehoben, dass sich Pierin Vincenz zu politischen Fragen geäussert habe. «Dieses Engagement von Wirtschaftsführern in der politischen Debatte war und bleibt notwendig.»