Fraktionsausflüge sind gesellige Anlässe. Weisswein und Bier gehören überall dazu. Aber nicht nur! Im Wahljahr werden sie zum Motivationsseminar umfunktioniert. Darum zieht es CVP (Wallis) und SVP (Thurgau) in ihre Hochburgen. Oder aber man versichert sich, dass man auf dem richtigen Weg ist. So etwa bei den Energiewendefreundlichen BDP und Grünen. Bei den Grossen, SVP und SP, reiste gerade mal ein Drittel der Leute an – eine schlechte Fraktionsdisziplin. Die Kleinen dagegen demonstrierten Geschlossenheit.
FDP Die Sorgen des Schneider-Ammann
Leichtes SVP-Feeling bei der FDP. In der Chornschüüre auf der Sichtern oberhalb von Liestal empfangen am Abend Alphornbläser die Parlamentarier und die mitgereisten Lobbyisten zum Nachtessen. Nur 13 National- und Ständeräte hatten sich für den Ausflug angemeldet – eine Quote von knapp 30 Prozent. Grosse Abwesende: Nationalrätin Christa Markwalder, die jüngst wegen ihrer Lobbying-Geschichte für Schlagzeilen sorgte. Nicht lumpen lassen sich die FDP-Magistraten. Aussendepartementschef Didier Burkhalter und Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann tauchen beide auf. Schneider-Ammann macht sogar die knapp dreistündige Besichtigung der Transportfirma Planzer in Pratteln BL mit. In seiner Rede ist der Berner hochpolitisch – und sorgenvoll. Man sei bei den Verhandlungen über die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative noch «nicht vorangekommen», sagt er. Und in Bern werde mehr reguliert statt dereguliert.
Stimmung: 4 von 5 Punkten
Kulinarisches: 5 von 5 Punkten
Fraktionsdisziplin: 1 von 5 Punkten
Grüne im Filz
Der Ausflug der Grünen bleibt lange trocken. Zum ersten Apéro müssen sich die Fraktionsmitglieder bis um 17 Uhr gedulden. Und das in der Romandie! Dafür gibts dann Wein aus der Region. Ziel des Ausflugs: Cernier bei Neuenburg. Die Anfahrt: natürlich mit Zug und Postauto. Die fast vollzählig anwesende Fraktion lernt vieles über Schafwolle, Biogas und Abfallverwertung. Besonders freuen sich die Parlamentarier über den Besuch der regionalen Schafwolle-Verarbeitung «Laines d’ici». Dort können sie – ganz legal – im Filz wühlen. Emotionaler Höhepunkt: die Verabschiedung des Berner Nationalrats Alec von Graffenried. Fraktionschef Balthasar Glättli sagt: «Du fehlst uns schon heute.»
Stimmung: 2 von 5 Punkten
Kulinarisches: 3 von 5 Punkten
Fraktionsdisziplin: 4 von 5 Punkten
Salzstängel der BDP-Ministerin
In der Klein-Partei BDP geht es familiär zu. Im Intercity von Bern Richtung Zürich schenkt am Mittag der ehemalige Deza-Kadermann Toni Frisch australischen Weisswein aus. Dazu gibts ein Coop-Sandwich. Und Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf verteilt im ganzen Abteil Salzstängeli. Die Reise geht in die Region von Fraktionschefin Rosmarie Quadranti. Bei der Empa in Dübendorf ZH lässt man sich in der eigenen Energiepolitik bestätigen. Zum Nachtessen in Seegräben ZH − wo die Bundesrätin ihre Partei für die Wahlen motiviert − gibt es dann nicht ganz klimafreundlich viel Fleisch vom Grill der Juckerfarm.
Stimmung: 3 von 5 Punkten
Kulinarisches: 2 von 5 Punkten
Fraktionsdisziplin: 4 von 5 Punkten
In der CVP knallt es gewaltig
Bei der CVP kommts zum grossen Knall! Ein Teil der Fraktion besichtigt in Visp VS das Areal des Eidgenössischen Schützenfests und übt sich gleich selbst im 300-Meter-Schiessen. Allzu gut sind die CVP-Bundesparlamentarier nicht im Schuss. Die Top-3-Plätze gehen an Gäste. Immerhin: Im Frauenlager schwingt Nationalrätin Ida Glanzmann (LU) mit 61 Punkten als beste Schützin obenauf. Damit zieht sie mit Parteichef und Schützenfest-OK-Präsident Christophe Darbellay gleich. Andere müssen sich mit magerer Ausbeute zufriedengeben: So wünscht Darbellay seinem Jägerkollegen Jean-Paul Gschwind (JU) angesichts dessen tieferer Punktzahl lachend eine «grössere Wildsau» für die nächste Jagd. Nicht nur Schiessen steht im Angebot, sondern etwa auch Pétanque oder ein Jodelkürsli. Abgerundet wird das Programm mit einem üppigen Walliser Buffet im prächtigen Stockalperschloss in Brig, zu dem auch Bundesrätin Doris Leuthard erscheint.
Stimmung: 4 von 5 Punkten
Kulinarisches: 5 von 5 Punkten
Fraktionsdisziplin: 4 von 5 Punkten
SVP-Rumpftruppe landet im Hafen
Noch bevor der Zug Bern Wankdorf passiert, werden Bier, Mineral und Bratwürste serviert. Ganz nach dem Geschmack des anwesenden Bundesrats Ueli Maurer. Auch Präsident und Fraktionschef sind dabei – sonst fehlt aber viel Parteiprominenz. Nur etwas mehr als ein Drittel der SVP-Parlamentarier macht die Reise in den Osten mit. «So geht das nicht», meint ein verärgerter Felix Müri dazu. Die SVP hatte damit geworben, dass alle Fraktionsmitglieder am «SVP bi dä Lüt»-Anlass in Romanshorn TG teilnehmen. Zu diesem begibt man sich per Schiff – und wird im Hafen von mehreren Hundert jubelnden Anhängern empfangen. Sie lauschen den Worten Maurers, singen mit den Politikern die Landeshymne und sagen ihnen, wo der Schuh drückt. Ein Heimspiel! Dass die SVP in den Kanton Thurgau pilgert, hat aber auch mit Diana Gutjahr zu tun. Die junge Unternehmerin und Nationalratskandidatin präsentiert am Nachmittag ihre Metallbau-Firma.
Stimmung: 4 von 5 Punkten
Kulinarisches: 3 von 5 Punkten
Fraktionsdisziplin: 1 von 5 Punkten
SP Stimmungsloser Trip ins Feindesland
Die SP reist ausgerechnet dorthin, wo sie kürzlich eine Schlappe erlitt und nach 56 Jahren aus der Kantonsregierung geflogen ist: nach Luzern. «Hier wollen wir im Herbst einen Ständeratssitz und einen zweiten Nationalratssitz gewinnen», erklärt Generalsekretärin Flavia Wasserfallen den gewählten Ausflugsort. Diese Kampfansage interessiert ihre Genossen indes reichlich wenig. Nicht einmal 20 der 57-köpfigen SP-Fraktion reist gestern ins innerschweizerische Feindesland. Beim Nachtessen in einem ehemaligen Hallenbad sind gar nur noch eine Handvoll Parlamentarier dabei. (Wahlkampf-)Stimmung kommt so keine auf. Und dies obwohl ein Teil der SPler zuvor reichlich Luzerner Wein degustierte. Die anderen besuchen ein Industrieareal in Emmenbrücke oder kreative Unternehmen in Luzern. «Immer diese Bildungsreisen», flucht ein SP-Nationalrat. Er wünsche sich für künftige Fraktionsausflüge mehr gemütliches Zusammensein.
Stimmung: 2 von 5 Punkten
Kulinarisches: 3 von 5 Punkten
Fraktionsdisziplin: 1 von 5 Punkten
Die GLP auf Haus-Schau
Kann das Zufall sein? Von allen Zielen im Land wählen die Grünliberalen und die SP dasselbe aus. Das KKL in Luzern. Rempeleien mit Sozialdemokraten prägen daher den frühen Nachmittag. Dann wenden sich die Roten dem Wein und die Grünliberalen der KKL-Architektur zu. Weil die GLP eben auch Kulturpartei ist, wie Fraktionschefin Tiana Moser erklärt. Der gemütliche Teil: eine Schifffahrt mit der «Titlis» auf dem Vierwaldstättersee. So erhebend, dass selbst der uneitle Beat Flach (AG) eine ganze Batterie von Selfies vertwittert. Das Finale: Tiana Mosers erst wehmütige, dann kämpferische Wahljahr-Ansprache und das Kalbsfilet im Luzerner Restaurant «1871».
Stimmung: 3 von 5 Punkten
Kulinarisches: 4 von 5 Punkten
Fraktionsdisziplin: 5 von 5 Punkten