Mit einem Versprechen hatte Michael Lauber (54) seinen Kopf im letzten Moment aus der Schlinge gezogen. Er werde zurücktreten, wenn im Disziplinarverfahren etwas an ihm hängen bleibe, versicherte der Bundesanwalt den Parlamentariern von SVP und SP vergangenen September. Kurz darauf wurde der oberste Ermittler von der Bundesversammlung ganz knapp wiedergewählt.
BLICK machte das Protokoll der SVP-Fraktionssitzung am Donnerstag publik. Tags zuvor hat die Gerichtskommission des Parlaments den ersten Schritt zum Amtsenthebungsverfahren gegen Lauber gemacht. Nächste Woche muss der Bundesanwalt vor der Kommission antraben und den Politikern Red und Antwort stehen.
Politiker fordern Lauber zum Abgang auf
Die Parlamentarier haben Laubers Versprechen nicht vergessen. Zahlreich sind die Stimmen, die den Bundesanwalt auffordern, endlich von sich aus den Abgang zu machen. «Jetzt ist der letzte Moment, um noch einigermassen erhobenen Hauptes zu gehen», sagt BDP-Nationalrat Lorenz Hess (58, BE), Mitglied der Gerichtskommission.
Doch Lauber denkt nicht daran. Das Problem ist, dass der Bundesanwalt zwar versprochen hat abzutreten, sollte er schuldig sein. Doch er vertritt einfach die Ansicht, das vernichtende Ergebnis der Disziplinaruntersuchung gegen ihn sei falsch. Er hat es ans Bundesverwaltungsgericht weitergezogen. Die Aufsicht wirft Lauber unter anderem illoyales Verhalten vor und dass er im Zusammenhang mit den Geheimtreffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino (50) mehrfach die Unwahrheit gesagt habe.
«Wiederwahl Laubers war ein Fehler»
Was der Bundesanwalt nicht einsieht: Bei der Beurteilung, ob er für das Amt des höchsten Ermittlers des Landes noch tragbar ist, geht es längst nicht nur um juristische Fragen. Der Entscheid ist ein höchst politischer.
Lauber schadet mit seinem Verhalten der Bundesanwaltschaft und dem Ansehen der Schweizer Justiz, darin ist man sich im Bundeshaus inzwischen einig. «Die Institution, die er so hoch lobt, ist wegen ihm zu grossen Teilen gelähmt», sagt SVP-Nationalrat und Fifa-Kenner Roland Rino Büchel (54, SG). «Wenn er deren Ruf retten will, gibt es nichts anderes als einen Rücktritt.»
Dieser Meinung ist auch CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (56, BL). «Die Bundesanwaltschaft ist die Staatsanwaltschaft der Schweiz», sagt sie. «Je länger sich die Affäre hinzieht, desto mehr schadet Lauber dieser wichtigen Institution.» Es gehe dabei um die Glaubwürdigkeit unseres Landes, so die Aussenpolitikerin. «Viele Parlamentarier sind sich bewusst, dass die Wiederwahl Laubers ein Fehler war.»
SP-Meinung ist klar
Die CVP war vergangenes Jahr noch gespalten. Nun stand sie geschlossen hinter dem Antrag auf Amtsenthebung in der Gerichtskommission. Auch die SP, im Herbst noch mehrheitlich für Lauber, will das Amtsenthebungsverfahren. Die Fraktion hat ihn schon vor dem Entscheid der Gerichtskommission öffentlich zum Rücktritt aufgefordert.
Noch keine Position festgelegt haben die restlichen Parteien. Am meisten Unterstützer dürfte Lauber weiterhin bei der FDP finden, wobei der Support auch dort bröckelt. Denn an einem Bundesanwalt festzuhalten, dem nur noch wenige trauen, könnte auch das Vertrauen in die Freisinnigen schwächen.
Insgesamt ist aber ohnehin klar, dass der Bundesanwalt keine Mehrheit mehr hat.
Es wird noch dauern
Nach der Anhörung nächsten Mittwoch muss die Gerichtskommission offiziell das Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundesanwalt einleiten, sonst macht sie sich unglaubwürdig. Wie es danach weitergeht, ist offen. Die Kommission hat sich darüber zu verständigen, ob sie selbst nochmals die ganze Affäre aufrollt und Anhörungen durchführt. Oder ob sie sich weitgehend auf die Arbeit des Bundesverwaltungsgerichts stützt. Dieses muss sich wegen des Rekurses von Lauber sowieso schon mit der Sache befassen.
Eine Mehrheit in der Gerichtskommission dürfte aber der Ansicht sein, dass es nicht nötig ist, das Urteil abzuwarten, da Lauber so oder so nicht mehr tragbar ist. Allerdings dürfte es faktisch darauf hinauslaufen, dass die Richter in St. Gallen schneller sind als die Parlamentarier, so Hess. Denn die Gerichtskommission kann nicht bloss per Handheben beschliessen, dem Parlament Laubers Abberufung vorzuschlagen. Vielmehr muss sie der Bundesversammlung einen Bericht vorlegen. Das dauert. Vor allem auch, weil Laubers Anwalt, der Starjurist Lorenz Erni (70), sämtliche Register ziehen dürfte.
Roland Rino Büchel redet Lauber deshalb noch einmal ins Gewissen. «Er sollte jetzt Grösse zeigen und Tschüss sagen. Damit hilft er nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Schweiz.»