Parlament für mehr Schutz
Opfer häuslicher Gewalt verlieren Aufenthaltsstatus nicht mehr

Das Parlament schützt ausländische Opfer häuslicher Gewalt besser. Wer eine gewalttätige Beziehung verlässt, gilt künftig als Härtefall und verliert seinen Aufenthaltsstatus nicht mehr.
Publiziert: 28.02.2024 um 12:57 Uhr
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Aktualisiert: 28.02.2024 um 13:00 Uhr
Foto: Keystone

Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, sollen nicht mehr in gewalttätigen Beziehungen bleiben müssen, nur weil sie den Verlust ihres Aufenthaltsrechts fürchten.

Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat einer entsprechenden Gesetzesänderung zugestimmt. Die kleine Kammer fällte ihren Entscheid mit 32 zu 8 Stimmen. Der Nationalrat hatte die Vorlage bereits in der Wintersession gutgeheissen. Wegen zweier Differenzen muss er sich nun nochmals mit der Sache befassen.

Kantone in der Pflicht

Nach heutiger Rechtslage droht Gewaltopfern mit Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung respektive vorläufig Aufgenommenen bei einer Auflösung der Ehe der Verlust der Aufenthaltspapiere. Mit einer Reihe von Änderungen im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) will das Parlament dies ändern. Ziel ist, die Härtefallpraxis zu garantieren.

Erarbeitet hatte die Vorlage die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N). In ihr wird der Begriff der häuslichen Gewalt konkretisiert. Kriterien für das Feststellen häuslicher Gewalt werden im Gesetz beispielhaft aufgelistet.

Zu den genannten Hinweisen auf häusliche Gewalt zählt unter anderem, dass jemand als Opfer gemäss Opferhilfegesetz anerkannt wurde, sich ärztlich behandeln lassen musste, oder dass in einem Fall die Polizei eingreifen musste.

Umsetzen sollen die neuen Regeln die Kantone. Wie bei persönlichen Härtefällen sollen sie aber die Regeln nur mit dem Einverständnis des Bundes anwenden dürfen.

SVP befürchtet Missbrauch

Der Opferstatus führe nicht automatisch dazu, dass die Härtefallregelung zur Anwendung komme, erklärte Marianne Binder-Keller (Mitte/AG) namens der vorberatenden Kommission. Es bleibe bei einer Einzelfallprüfung.

Gelten sollen die neuen Regeln nicht nur wie heute für Verheiratete, sondern auch für deren Kinder, für Menschen in eingetragener Partnerschaft und – unter gewissen Voraussetzungen – für Konkubinatspartner und -partnerinnen.

Ein Antrag der St. Galler SVP-Ständerätin Esther Friedli, nicht auf die Vorlage einzutreten, fand keine Mehrheit. Schon bei der heutigen Härtefallregelung gebe es Missbrauch, argumentierte Friedli. Die Vorlage senke die Hürde für den Nachweis häuslicher Gewalt zu stark – faktisch reiche der Besuch einer Opferhilfestelle.

Friedlis Parteikollege Jakob Stark (TG) beantragte erfolglos die Rückweisung der Vorlage an die Kommission. Da die Kantone das Gesetz zu vollziehen hätten, müssten sie auch einbezogen werden, sagte Stark. Wie Friedli war er der Ansicht, es bestehe mit den neuen Regeln ein erhöhtes Missbrauchspotenzial: «Hier ist zu wenig abgeklärt worden.»

Keine Integrationskriterien

Es gehe in erster Linie um eine Präzisierung der schon heute bestehenden Härtefallregelung, nicht um eine grundsätzliche Änderung des Migrationsrechts, widersprach der Präsident der SPK-S, Daniel Fässler (Mitte/AI). Er wies den Vorwurf zurück, die Kommission habe die Vorlage im Schnellzugstempo behandelt.

Angenommen wurde der Antrag einer Kommissionsminderheit und des Bundesrates, einen Absatz zu streichen, der eine Ausnahme von den Integrationskriterien in Fällen vorsieht, in welchen das Aufenthaltsrecht eines Opfers häuslicher Gewalt verlängert wird.

Darüber muss nun nochmals der Nationalrat befinden. Bei der ersten Beratung des Geschäfts im Dezember hatte er gegen die Streichung der Bestimmung votiert.

Weiter strich der Ständerat auf Antrag von Beat Rieder (Mitte/VS) einen Absatz, wonach die Inanspruchnahme einer Beratung durch eine Fachstelle als Hinweis auf häusliche Gewalt gewertet werden soll.

Mit der Bestimmung überlasse man es privaten Organisationen, häusliche Gewalt zu beweisen, sagte Rieder. Dies gehe zu weit.

Häusliche Gewalt schlage sich oft nicht in Urteilen, Polizeiprotokollen oder medizinischen Unterlagen nieder, gab Mathilde Crevoisier Crelier (SP/JU) zu bedenken. Den Absatz zu streichen, bedeute, ein Kernstück herauszubrechen.

Zu den spezialisierten Fachstellen gehörten auch die Frauenhäuser, sagte auch Justizminister Beat Jans. Sie seien sehr nah an den Betroffenen – und oft die Einzigen, die von Gewalttaten erführen. (SDA) 

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