Es war das letzte Mal in der Schweizer Geschichte, dass mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen wurde. An der Blutnacht von Genf am 9. November 1932.
Diese Woche beugt sich der Nationalrat an der Sondersession über die damaligen Ereignisse. Ein Vorstoss des Kantons Genf verlangt, dass die sieben damals verurteilten Demonstranten rehabilitiert werden. Insgesamt waren 18 Personen angeklagt worden.
Rekruten erschossen elf Demonstranten
Anlass für die Demo, an der rund 8000 Personen teilnahmen, war eine faschistische Veranstaltung. Linke und Rechte gerieten aneinander – und die Situation ausser Kontrolle. Überforderte Rekruten der Armee, die sich erst in der sechsten Ausbildungswoche befanden, schossen um sich. 13 Personen starben, 65 wurden teils schwer verletzt.
Während die Todesschützen juristisch nicht verfolgt wurden, verurteilten Richter sieben Demonstranten wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Zu Unrecht, wie Genf heute findet. Es sei an der Zeit, «diese Demonstranten, die sich dem aufkommenden Faschismus in Genf widersetzten, zu rehabilitieren», begründet der Kanton seinen Vorstoss.
«Anerkennung für den Kampf für die ‹gerechte Sache›»
Rückblickend sei es nämlich klar, dass sie in erster Linie aufgrund des damaligen geschichtlichen Kontexts verurteilt wurden seien und nicht wegen einer direkten Verantwortung für das traurige Ereignis. «Ihre Rehabilitierung wäre eine Anerkennung ihres Kampfes für die ‹gerechte Sache› oder zumindest das Eingeständnis, dass nicht nur sie die Verantwortung für die Opfer tragen, findet der Kanton.
Doch nur die Ratslinke unterstützt wohl die Forderung: Die bürgerlichen Parteien sprachen sich im Ständerat und auch der zuständigen Nationalratskommission gegen eine Rehabilitierung aus. «Die Politik darf und soll keine richterlichen Entscheide aufheben. Das wäre ein Eingriff in die Gewaltenteilung», sagt Andrea Gmür-Schönenberger (54). Wolle man höchstrichterliche Entscheide aufheben, könne ein Begehren ans Bundesgericht gestellt werden.
Aus Verurteilten wurden Politiker
Die Luzerner CVP-Nationalrätin gibt zudem zu Bedenken, dass das Urteil nach den damaligen Regeln des Rechtsstaates korrekt gewesen sei und zumindest eine politische Rehabilitierung stattgefunden habe.
Immerhin wurde Léon Nicole (†1965), einer der Demonstranten von damals, später in den Nationalrat und in die Genfer Regierung gewählt. Andere schafften den Sprung in den Genfer Kantonsrat.