Mit dem Glamour ist es wohl vorbei. Nach der Wahl des Tessiners Ignazio Cassis (56) in den Bundesrat ziehen im Aussendepartement, das er am 1. November übernehmen wird, gutschweizerische Tugenden ein: Zurückhaltung zum Beispiel. Damit ist nicht der Amtsinhaber selbst gemeint, sondern seine bessere Hälfte.
Die heimliche Aussenmnisterin
Die Frau seines Vorgängers Didier Burkhalter (57) hatte nämlich viel Freude am grossen Auftritt: Nicht umsonst wurde Friedrun Burkhalter (50) als «heimliche Aussenministerin» und erste «First Lady der Schweiz» betitelt: Wo auch immer Burkhalter auftauchte, die gebürtige Österreicherin war dabei – selbstbewusst lächelnd, elegant, und händchenhaltend.
Nicht immer zur Freude der anderen Bundesräte, die sich von ihren Gattinnen fragen lassen mussten, warum sie eigentlich nicht mit zu Obama dürfen, Friedrun aber schon.
Der Rummel setzte ihr zu
Tempi passati. Ihre Nachfolgerin Paola Cassis (54) ist aus anderem Holz geschnitzt. «Meine Frau werden Sie nicht oft sehen», sagte ihr Ehemann im Bundesratswahlkampf einmal am Rand eines BLICK-Interviews. «Sie mag das Rampenlicht nicht besonders.»
Tatsächlich: Die Aufmerksamkeit der Medien am Wahltag war Paola Cassis sichtlich unangenehm. Der Rummel war ihr in den letzten Wochen etwas viel. Man weiss, dass sie nicht begeistert von der Idee war, ihren Mann an die Landesregierung zu verlieren. Und doch hat sie ihn unterstützt – «sie hat gesehen, wie begeistert ich war», so der Neo-Bundesrat.
Vorbild Schneider-Ammann
Mit dem Bundesbetrieb will sie aber lieber nichts zu tun haben. Ihr Vorbild ist eher Katharina Schneider-Ammann, die Frau von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (60), die selten in Erscheinung tritt.
Die zurückhaltende Frau Cassis mit dem jugendlich-praktischen Kurzhaarschnitt wird daher vorerst auch nicht nach Bern ziehen, sondern weiter im Haus in Montagnola TI bleiben. Die Röntgenärztin ist beruflich selbst sehr engagiert. Nur noch die Frau eines Bundesrats zu sein, kommt für sie nicht in Frage.
Distanz für eine glückliche Ehe
Die Trennung sind sich die beiden gewohnt: Schon seit Jahren kommt Ignazio Cassis nur für die Wochenenden ins Tessin. Und seine Frau hat darin auch ihr Gutes gefunden. Distanz sei ein Rezept für eine glückliche Ehe, findet sie. Nur wenn ihr Mann auch viele Wochenenden in Bern verbringe, dann werde sie in die Bundesstadt ziehen und sich dort eine Stelle suchen.
Kennengelernt haben sich die beiden vor einem Vierteljahrhundert im Spital in Zürich. Sie stammt aus Biasca im Nordtessin, wo die Leute ernster sind, weniger überschwänglich als im Süden. «Paola ist wie ein von Samt überzogener Diamant», sagte Cassis zur «Basler Zeitung». «Ein sehr sanfter Mensch, aber gleichzeitig unglaublich stark.»