Ueli Maurer ist seit einem Jahr aus der Landesregierung zurückgetreten – ruhig wirds um den 73-Jährigen aber nicht. Während die meisten alt Bundesräte eher im Hintergrund agieren, oder sich ganz aus der Öffentlichkeit zurückziehen, gibt Maurer ausgewählten Medien Interviews oder steigt für die SVP in den Wahlkampf.
Auffällig dabei: Vor allem seine Aussagen zur Pandemie werden zunehmend radikaler und ähneln den Verschwörungserzählungen von Coronaleugnern, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet.
«Mehr heisse Luft als Inhalt»
So gibt Maurer zum Beispiel dem Internetsender Hoch2.tv ein halbstündiges Interview, in dem er erstaunliche Aussagen zur Pandemie macht – zumal er damals selbst in der Landesregierung sass. Die Pandemie sei eine «Hysterie» gewesen, die bewusst geschürt worden sei. «Das hat mich erschreckt, diese Massenhypnose, die da stattgefunden hat.»
Es sei zwar gut gewesen, dass man am Anfang vorsichtig gewesen sei, aber danach habe man «übergeschossen». «War von Anfang an klar, dass es gar nicht so schlimm sein kann, wie man das dargestellt hat», sagt er im Interview. Schliesslich kommt er, der sich offen als «Impfgegner» bezeichnet, auf die Impfung zu sprechen.
Dabei redet er Querdenkern nach dem Mund: «Wir haben vorgegaukelt, wir hätten Impfstoffe, die absolut nützlich seien. Und jetzt stellen wir fest, das ist sehr viel heisse Luft. Mehr heisse Luft als Inhalt.» Dahinter stecke die Pharmaindustrie, die damit viel Geld verdient habe.
Entsetzen bei Parteikollegen
Maurers krude Thesen lösen bei Parteikollegen und Gesundheitspolitikern Entsetzen aus, wie sie der «NZZ am Sonntag» sagen. «Soeben hat die WHO neue Zahlen publiziert. Allein in Europa hat die Impfung 1,4 Millionen Menschenleben gerettet», sagt der Basler Mitte-Regierungsrat und Präsident der Gesundheitsdirektorenkonferenz, Lukas Engelberger (48).
Und der Aargauer SVP-Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (57) sagt zur Zeitung: «Ueli Maurer ist kein Experte auf diesem Gebiet. Er widerspricht den führenden Fachleuten.» Die Wirksamkeit der Impfung sei gut erforscht. Ausserdem sei nichts Anrüchiges daran, dass die Pharmabranche mit einer Impfung Geld verdiene. Er sei dankbar, dass sie diese Impfung erfunden habe.
«Entsprechen nicht der Usanz für ehemalige Bundesräte»
Die Nähe zu Verschwörungserzählungen und wie offen Maurer seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen in der Regierung kritisiert, verwundert alt Bundesrat Pascal Couchepin (81). «Direktangriffe in dieser Schärfe entsprechen nicht der Usanz für ehemalige Bundesräte.» Er habe ihn als korrekten Kollegen erlebt. Solche Auftritte schadeten «seinem guten Ruf» als Bundesrat, sagt Couchepin.
Etwas weniger laut, aber dennoch deutlich macht Maurer auch seine Sicht auf andere Geschehnisse in der Welt. So kritisierte er vor allem die Sicht der Medien. «Wieder ein Einheitsbrei in Bezug auf diesen Ukraine-Russland-Krieg. Wo man einfach Waffen liefert, Waffen liefert, dass es Tote gibt».
Maurer ist den «Mainstream-Medien» gegenüber kritisch eingestellt, weil diese aus seiner Sicht alle dasselbe propagierten. Eine Anfrage der «NZZ am Sonntag», seine Thesen zu erklären, lehnte er ab. (neo)