BLICK: Herr Kessler, müssten Sie Ihre Initiative nicht zurückziehen?
Olivier Kessler*: Warum denn?
Das Volk hiess gerade eine Gebühr für die SRG gut. Knapp, aber doch.
Wir hatten doch keine Wahl. Es hiess: Wollen wir die SRG mit Billag-Zwangsgebühren oder mit einer Billag-Mediensteuer mästen. Nein, wir bleiben dran.
Wie und wo ist No Billag eigentlich entstanden?
2013 trafen sich junge liberale Kräfte der Jungen SVP und der Jungfreisinnigen an der Veranstaltung Endstation Sozialismus. Danach kristallisierte sich die Idee heraus, die Billag-Gebühren anzugreifen.
Eine etwas einsame Idee.
Nicht ganz. Noch nie sammelten wir so einfach Unterschriften. Uns wurde auf der Strasse viel Sympathie entgegengebracht. Leider hatten wir keine finanzstarke Organisation, um den Unterschriftenbogen weiträumig zu verbreiten.
Seit neustem steht Hans-Ulrich Biglers mächtiger Gewerbeverband SGV hinter Ihnen. Wie kam denn das zustande?
Wir waren schon seit 2014 in Kontakt. Der SGV wehrte sich ja schon länger gegen die Billag. Am Montag nach der Abstimmung kam dann der Bescheid vom SGV: Man wolle der Mitgliederzeitung 140 000 Unterschriftenbögen beilegen.
Damit sollten Sie es schaffen.
Das ist keineswegs sicher. Das Ende der Sammelfrist im Dezember kommt schon bald. Wir haben jetzt 70 000 Unterschriften. Das gibt noch viel Arbeit.
Was schauen Sie eigentlich selbst gern im Fernsehen SRF?
Ab und zu Fussball, Eishockey, bisweilen die «Arena» oder eine Dok. Ich weiss, worauf Sie hinauswollen: Dafür, was ich mir ansehe, finde ich die 400 Franken Zwangsgebühren zu viel.
Sie hören sicher auch Radio SRF.
Nein, nie. Ich kaufe mir meine Musik selber. Ich mag es nicht, wenn mir der Sender vorschreibt, zu welcher Zeit ich welche Musik hören soll.
Es gibt ja nicht nur Musik, sondern auch Informationen.
Irgendwie nie jene, die ich gerade brauche. Kürzlich machte ich eine Israel-Palästina-Reise. Ich dachte: Mal sehen, ob mich SRF über die Lage dort informieren kann. Aber es lief bloss eine Sendung über Murmeltiere.
Das wäre ja auch ein erstaunlicher Zufall gewesen, finden Sie nicht?
Schon klar. Aber muss man alle Menschen dazu zwingen, die Murmeltiersendung mitzufinanzieren, wenn sie diese nicht sehen wollen?
Es geht Ihnen also eigentlich ums Programm. Sie möchten die ungeliebte SRG einfach schliessen.
Ganz falsch. Wir wollen die freiheitlichste Lösung für die SRG. Sie soll sich auch online betätigen können. Und nicht durch einen staatlich verordneten Service-public-Auftrag beschränkt werden. Freiheit für die SRG – aber auch keine Zwangsgebühren. Eigentlich müsste die SRG die No-Billag-Initiative unterstützen.
Im Gegenteil, die SRG muss Ihre Initiative fürchten.
Weil es bequemer ist, Geld per Zwang einzutreiben?
Nein, weil sich in der kleinen Schweiz schlicht kein Vollprogramm selber finanzieren kann.
Eine unbewiesene Behauptung. Warum brauchen wir ein Vollprogramm auf 17 Radio- und sieben TV-Sendern? Die SRG könnte sich via Werbung finanzieren. Oder ihre Kanäle verschlüsseln, so dass nur noch konsumiert, wer auch zahlt – warum nicht?
Weil das keiner zahlen könnte?
Wenn die SRG so gut ist, wie sie behauptet, klappt das schon. Sie müsste halt abspecken und günstiger produzieren. Nur ein Beispiel: Als wir damals unsere Initiative lancierten, schickte die SRG vier Kamerateams an die Medienkonferenz!
Vier Landessprachen, vier Teams. Das ist nun einmal Service public. Dafür kommen auch alle Parteien zu Wort, etwa in der «Arena».
Dort kommen nur Vertreter der Classe politique zu Wort, selten Leute aus dem Volk. Die SRG ist der Kanal der etablierten Politik. Darum wollten uns auch lange keine Politiker unterstützen, weil alle Angst haben, danach nicht mehr in den Sendungen auftreten zu können. Die SRG sorgt schon dafür, dass niemand sie grundsätzlich kritisiert.
Man könnte es Mehrheitsfähigkeit nennen. Was ist daran falsch?
Im Resultat biedert sie sich bei der Machtelite an, statt ihr auf die Finger zu schauen. Weil der Bundesrat die Gebührenhöhe bestimmt, kriegt er besondere Plattformen. Die SRG muss sich nicht an den Kundenbedürfnissen orientieren.
Sie wird schon an ihren Quoten gemessen.
Aber es hat keine konkreten Folgen. Die Quoten sinken ja stetig, die Gebühren aber nicht.
Eine SRG im freien Markt hiesse: am Radio nur noch Musik, im Fernsehen nur noch Quiz-Shows, Spielfilme und Telenovelas.
Damit erklären Sie das Publikum indirekt für dumm. Ich glaube, es gibt sehr wohl ein Bedürfnis nach guter Information.
Klar gibt es das. Aber die ist enorm teuer zu produzieren. TV 3 versuchte es vor 15 Jahren: Die Kosten für das Infoangebot brachen dem Privatsender den Rücken.
Die Produktionskosten sind seither massiv gesunken. Aber klar, was sich im freien Markt nicht behaupten kann, geht zugrunde. Ich sehe nicht, warum man den Rundfunk gegenüber Printmedien bevorzugen soll.
Der Bund subventioniert auch Zeitungen: mit einem tieferen Mehrwertsteuersatz beim Postversand.
Das nenne ich nicht Subvention. Der Staat verlangt nur weniger Steuern, das ist alles. Grundsätzlich lehne ich aber jede staatliche Bevorzugung ab.
Immerhin diskutiert man nun über den Service public dieses Staates.
Diese Diskussion braucht es in Wahrheit gar nicht. Service public ist eine Leistung, die uns ungefragt an den Kopf geworfen wird – für die wir trotzdem alle gezwungen werden zu zahlen.