Noch lässt sich die offizielle Schweiz durch die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Deutschland nicht aus der Ruhe bringen. «Der Bundesrat hat keine Diskussion geführt oder Beschlüsse zu diesem Thema gefasst», sagt Bundesratssprecher André Simonazzi auf Anfrage von Blick.ch.
Zuständig für eine temporäre Rückkehr zu Grenzkontrollen ist in der Schweiz der Gesamtbundesrat. In dringenden Fällen hingegen könnte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga diesen Entscheid fällen – und müsste den Bundesrat nachträglich darüber informieren.
«Voraussetzungen zurzeit nicht erfüllt»
«Eine vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen ist gemäss Schengener Abkommen nur dann möglich, wenn eine schwerwiegende Störung der öffentlichen Ordnung vorliegt», erklärt Attila Lardori von der Eidgenössischen Zollverwaltung dazu. «Diese Voraussetzungen sind zurzeit für die Schweiz nicht erfüllt.»
Lardori erinnert daran, dass an der Grenze weiterhin Zollkontrollen durchgeführt würden. Und da könne es bei «polizeilichem Anfangsverdacht oder aus Gründen der Eigensicherung» auch weiterhin zur Personenkontrollen kommen.
Grenzwacht in Alarmbereitschaft
Angesichts der Flüchtlingssituation reagiert auch das Grenzwachtskorps: «Verstärkungen der Südgrenze finden schon seit mehreren Jahren statt. Zusätzlich wird die Ostgrenze ebenfalls mit Personal verstärkt», so Lardori. Zur punktuellen Verstärkung werde einerseits Personal aus den betroffenen Regionen eingesetzt, andererseits werde Perosnal aus anderen Regionen hinzugezogen.
«Die Anzahl der zusätzlich eingesetzten Mitarbeitenden variiert je nach Lage», so Lardori. Das Grenzwachtskorps ist also in Alarmbereitschaft!
An der Ostgrenze wurde heute: «Heute Morgen haben wir zusammen mit dem Grenzwachkorps auf dem Bahnhof Buchs SG eine neue Anlaufstelle gleich auf dem Perron in Betrieb genommen, sagt Hanspeter Krüsi von der Kantonspolizei St. Gallen. In den vergangenen Wochen habe die Anzahl der Flüchtlinge in Buchs «leicht zugenommen». Es würden täglich etwa 20 bis 30 Personen aus Österreich ankommen.
SVP will Grenzkontrollen und Auns kündigt Initiative an
In der Politik sorgen die deutschen Grenzkontrollen für viel Diskussionsstoff. Die SVP verlangt vom Bundesrat eine sofortige Rückkehr zu systematischen grenzkomtrollen. «Der Ball für kurzfristig realisierbare Massnahmen liegt klar beim Bundesrat. Dieser hat nun Verantwortung für die Sicherheit des Landes und der Bevölkerung zu übernehmen», sagt SVP-Generalsekretär Martin Baltisser.
Heute Nachmittag will die SVP zudem entscheiden, ob sie in dieser Frage auch im Parlament aktiv wird. Allerdings verweist Baltisser darauf, dass die SVP letzte Woche mit ihrem Asylmoratorium gescheitert sei.
Die Aktions für eine unabhängige Schweiz (Auns) will derweil eine Volksinitiative für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen lancieren. An einer Medienkonferenz heute Nachmittag will sie über die Details informieren.
CVP-Pfister: «Die EU versagt völlig»
Handlungsbedarf ortet auch CVP-Nationalrat und Aussenpolitiker Gerhard Pfister (ZG). «Deutschland wird Opfer seiner eigenen Aushebelung von Dublin durch Merkels Statement, Syrer könnten ohne Registrierung nach Deutschland reisen», sagt er. Die CVP habe schon im Sommer Personenkontrollen an der Grenze gefordert.
«Die EU versagt völlig. Die Registrierung aller Menschen an der Dublin-Aussengrenze ist sofort nötig», macht Pfister klar. Wer sich nicht registrieren lasse, solle den Anspruch auf Asyl verlieren. «Die Asylbewerber müssen dann aber auch in die ihnen zugewiesenen Länder. Nur so macht proportionale Verteilung in Europa Sinn. Und nur dann sollte die Schweiz mitmachen.
SP-Naef: «Reine Symbolpolitik»
«Mit Grenzkontrollen lassen sich keine Flüchtlingsströme beeinflussen. Die Flüchtlinge lassen sich ja nicht einmal von einem Grenzzaun wie in Ungarn aufhalten», sagt hingegen SP-Nationalrat Martin Naef (ZH). «Die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen ist reine Symbolpolitik.»
Deshalb hält er solche in der Schweiz auch für einen falschen Ansatz. «Die Flüchtlingsproblematik lässt sich nur über einen fairen Verteilschlüssel für ganz Europa lösen. Da zitiere ich gerne Nicht-Genossein Angela Merkel: ‹ Wir schaffen das!›».
Die aktuelle Entwicklung können Sie in unserem News-Ticker verfolgen.