Hunderte Eritreer in der Schweiz erhielten in den letzten Wochen Post. Der Inhalt, auf den Punkt gebracht: Ihr Flüchtlingsstatus wird überprüft.
Derzeit klärt das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Dossiers von 3200 der insgesamt 9400 vorläufig aufgenommenen Eritreer neu ab. Im Schreiben an die Betroffenen heisst es laut der Sendung «Rundschau» des Schweizer Fernsehens: «Das SEM beabsichtigt, Ihre vorläufige Aufnahme aufzuheben und den Vollzug der Wegweisung anzuordnen.»
Auch intern geht man davon aus, dass die Lage in Eritrea unverändert ist
Die neue Praxis des Bundes ist eine Kehrtwende. SonntagsBlick liegt ein interner Bericht der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats vor; daraus geht hervor: Noch vor wenigen Wochen stellten die parlamentarischen Aufseher der Eritrea-Politik des Bundesrats einen Persilschein aus. In dem Papier vom 23. März 2018 heisst es: «Gestützt auf Anhörungen und die Analyse verschiedener Berichte kommt die GPK zum Schluss, dass derzeit kein Handlungsbedarf besteht.»
Dabei stützt sich die GPK unter anderem auf Aussagen von SEM-Chef Mario Gattiker und EDA-Staatssekretärin Pascale Baeriswyl, nach denen sich die Lage im diktatorischen Eritrea keineswegs verbessert habe. Bei einer Anhörung vor der zuständigen Subkommission der GPK erklärten beide, die eritreische Regierung habe keines ihrer Versprechen eingelöst.
Auch intern geht man davon aus, dass die Lage in Eritrea unverändert ist. Erst vor ein paar Wochen bestätigte die Analyse des SEM-Länderverantwortlichen: Was den umstrittenen «Nationaldienst» betrifft, der militärische und zivile Pflichten beinhaltet und den alle Eritreer leisten müssen, ist alles beim Alten. Auch die neue Verfassung sei entgegen den Beteuerungen der Regierung noch nicht in Kraft.
Dass den Betroffenen Folter drohe, verneint das SEM
Warum dann die neue Praxis? Das SEM verweist auf einen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, das Ende August zum Schluss gekommen sei, dass eritreische Staatsangehörige, die ihre Dienstpflicht abgeleistet hätten, bei einer Rückkehr nicht generell mit erneuter Einberufung in den Nationaldienst oder Bestrafung rechnen müssen. Eine Ausreise in ihr Heimatland sei deshalb nicht generell unzumutbar.
Gegenüber SonntagsBlick hält das SEM fest: Nach dem Gerichtsurteil gehe man von der Zumutbarkeit der Rückkehr aus. Dass den Betroffenen Gefängnis oder gar Folter drohe, verneint das SEM. Einen Beweis dafür kann die Behörde allerdings nicht erbringen.