BLICK: Herr Maudet, was sagen Sie als KKJPD-Präsident – welche Massnahmen braucht es gegen die Gewalt bei Fussballspielen?
Pierre Maudet: Wir haben in Zürich eine ausserordentliche Situation. Die Rivalität zwischen GC- und FCZ-Anhängern artet in Einzelfällen aus, und zwar in einer Form, welche nicht nur der ganz grosse Teil aller Fans missbilligt, sondern bei der sogar mancher Ultra nur den Kopf schüttelt. Ich stelle mir die Frage, ob es damit noch ein Problem des Fussballs ist oder eine sinnlose, rohe Gewalt, ausgelebt von Idioten, denen der Fussball gänzlich egal ist. Als Massnahme gilt deshalb: strikte Anwendung der Gesetze, Verurteilung.
Hat das Hooligan-Konkordat in dieser Hinsicht versagt?
Das Konkordat zielte nie auf schweizweit weniger Kriminelle, sondern wollte den Behörden die Möglichkeit geben, mehr Mitsprache bei der Durchführung von Sportveranstaltungen zu geben und gewisse schweizweite Harmonisierungen zu erreichen. Das ist weitgehend gelungen und funktioniert.
Die Zahl der Vorfälle ist aber weiterhin hoch.
Insgesamt nehmen wir eine Entspannung wahr: Schweizweit sanken die polizeilichen Einsatzstunden rund um Sportveranstaltungen in den letzten Jahren dank gemeinsamer Anstrengungen von Behörden, Verbänden, Ligen und Klubs. Man muss aber in diese Richtung noch vertiefen.
Welche Unterstützung erwarten Sie von Bund, Liga und Fussballklubs?
Ich habe diesbezüglich keine dringenden zusätzlichen Forderungen. Die Zusammenarbeit funktioniert zwar gut. Bei kriminellen Handlungen – Pyrowurf, Körperverletzung, Gewalt an Polizisten und so weiter – wäre es aber wünschenswert, die Täter rasch(er) zu identifizieren und zu verurteilen. Es darf nicht sein, dass sogar ein überführter Straftäter noch jahrelang unter der Woche einer geregelten Arbeit nachgeht und Wochenende für Wochenende eine Bedrohung darstellt, bevor es zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommt. Das ist aber der gemeinsame Wunsch von KKJPD, Liga und Klubs.
Chronologie der Hooligan-Attacken:
Fan-Gewalt im Fussball: Sie ist ein leidiges und leider andauerndes Problem in der Schweiz. Keine Massnahme scheint bislang eine nachhaltige Lösung zu bringen. Die Zahl der Vorfälle ist weiterhin hoch. Immer wieder kommt es rund um Fussballspiele zu Scharmützeln, Polizeieinsätzen und Ausschreitungen. Dies lässt sich allein durch die Ereignisse der beiden vergangenen Tage illustrieren:
Mittwochabend: Nach der Partie zwischen GC und Sion wird ein Zürcher Polizist von mutmasslichen Fussballfans angegriffen und verletzt.
Donnerstagnachmittag: Vor dem Fussballspiel zwischen Rapperswil-Jona und dem FC Aarau werden Kantonspolizisten mit Böllern beworfen.
Donnerstagabend: Im Anschluss an die Begegnung zwischen Basel und YB wird ein Mann so stark verletzt, dass er mit der Ambulanz notfallmässig ins Basler Kantonsspital eingeliefert werden muss.
Wüste Szenen an der Zürcher Hardbrücke
Besonders brisant ist die Situation in Zürich. Die Limmatstadt beheimatet gleich zwei Super-League-Traditionsvereine – den FC Zürich und die Grasshoppers –, die sich spinnefeind sind. Einzelne Anhänger beider Zürcher Klubs haben in den vergangenen Monaten regelmässig Gewalt an den Tag gelegt. Seit Januar 2017 verging kein Monat, in dem kein Fall an die Öffentlichkeit gelangte.
Unvergessen sind die wüsten Bilder des 28. Februar 2018 vor dem Cup-Halbfinal zwischen FCZ und GC. Mehrere Dutzend zum Teil vermummte Fussballfans stürmen vom Bahnhof Zürich Hardbrücke auf den Maagplatz. Dort attackieren einige von ihnen mehrere mutmassliche GC-Fans brutal. Zwei junge Männer werden von den Angreifern zu Boden geworfen, mit Faustschlägen traktiert und wiederholt mit Füssen in den Körper und sogar in den Kopf getreten.
SBB-Mitarbeiter müssen sich verbarrikadieren
Oftmals richtet sich die Gewalt aber auch an Beamte, wie die drei Beispiele der letzten Tage zeigen. Aber nicht nur Polizisten fühlen sich bedroht, sondern auch SBB-Mitarbeiter. Ein Beispiel: Nach dem Auswärtsspiel in Lausanne von Ende April wollten zehn GC-Chaoten im Extrazug auf SBB-Mitarbeiter losgehen. Das ÖV-Personal musste sich zurückziehen und verbarrikadieren.
Zu diesen teils brutalen Schlägereien und Attacken kommen etliche Sachbeschädigungen hinzu.
Es sind nicht irgendwelche Bagatellen, sondern, wie die Beispiele zeigen, oft gravierende Vorfälle. Dennoch sieht der Bundesrat keinen Handlungsbedarf, eine minimale Haftstrafe wegen Gewalt an Beamten einzuführen. Lediglich die Geldstrafe für solche Delikte soll erhöht werden.
Polizistenverband fordert härtere Strafen
Ein Schlag ins Gesicht der Polizisten, wie Max Hofmann (53), Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB), sagt. «Solche Angriffe auf Polizisten wie in der Nacht auf Donnerstag oder am Auffahrtsnachmittag sind für Polizeikräfte lebensgefährlich. Sie müssen entsprechend scharf geahndet werden.»
Hofmann fordert mindestens drei Tage Haft für Gewalt an Beamten. Denn Polizisten, die sich täglich – «auch unter Einsatz ihres Lebens» – für die Sicherheit der Bevölkerung einsetzten, «verlangen mehr Respekt vom Gesetzgeber», macht der VSPB-Generalsekretär deutlich.
Mehr Mittel zur Fahndung und härtere Strafen fände auch Pierre Maudet (40) nötig, Präsident der Polizeidirektoren: «Bei kriminellen Handlungen wäre es wünschenswert, die Täter rascher zu identifizieren und zu verurteilen.»