Ob Postauto-Bschiss, Beschattungsaffäre oder Crypto-Gate
Millionen für Gefälligkeitsgutachten

Kellerhals Carrard hat beim Postauto-Skandal einen unvollständigen Bericht abgeliefert. Dieser kostete die Post einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Trotzdem soll nun ausgerechnet diese Anwaltskanzlei die Crypto-Affäre untersuchen.
Publiziert: 23.02.2020 um 11:58 Uhr
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Der frühere Post-Präsident Peter Hasler zog die Notbremse 2013 bei Postauto nicht.
Foto: Keystone
Simon Marti, Tobias Marti, Thomas Schlittler

Wenn ein Unternehmen oder eine Behörde in ­einen Skandal verwickelt ist, gibt es für sie ein beliebtes Mittel, um sich reinzuwaschen: eine externe Untersuchung durch eine namhafte Anwaltskanzlei.

Das Problem: Wirklich unabhängig sind diese externen Prüfer meist nicht. In der Regel arbeiten sie seit Jahren mit ihren Auftrag­gebern zusammen. Man kennt sich. Logische Konsequenz: Oft fallen die Untersuchungen so aus, wie sich das die Auftraggeber wünschen. «Externe Gutachten bringen das Ergebnis, das die Auftraggeber wollen», sagt Hans Geiger (76), eme­ri­tierter Bankenprofessor der Universität Zürich.

Im Nachhinein sind die Untersuchungen oft kaum das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.

Jüngstes Beispiel ist die Beschattungsaffäre der Credit Suisse (CS): Deren Verwaltungsrat beauftragte die Kanzlei Homburger, der Überwachung von Topbanker Iqbal Khan (44) auf den Grund zu gehen und herauszufinden, ob es noch weitere Beschattungen gegeben habe. Das Ergebnis der Homburger-Anwälte: Die Khan-Affäre war ein Einzelfall.

Ohne Journalisten wäre das Protokoll nie an die Öffentlichkeit gekommen

Dumm nur, dass die «Neue Zürcher Zeitung» dies wenige Wochen später mit der Enthüllung widerlegte, dass kurz zuvor schon CS-Personalchef Peter Goerke (58) beschattet worden war.
Beim Staatsbetrieb Post lief es kaum anders, als es darum ging, den Postauto-Subventionsskandal aufzuklären: Hier schrieb die Kanzlei Kellerhals Carrard einen Untersuchungsbericht zuhanden des Verwaltungsrats.

216 Seiten dick ist das Werk. Unzählige Sitzungsprotokolle werden darin detailliert wiedergegeben. Doch ausgerechnet ein Protokoll vom 26. Juni 2013 fehlt im Bericht, das beweist, dass der Post-Verwaltungsrat schon damals darüber diskutiert hat, wie Gewinne «verschoben» werden können. Erst diese Woche wurde das brisante Dokument öffentlich – dank einer Enthüllung des BLICK.

Die Post und Kellerhals Carrard haben wortreiche und umständliche Erklärungen parat, wieso das Dokument im Bericht fehlt. Doch wie man es auch dreht und wendet, unter dem Strich bleibt folgende Tatsache: Ohne die Arbeit von Journalisten hätte die Öffentlichkeit das Protokoll nie zu Gesicht bekommen – und der Post-Verwaltungsrat hätte weiterhin behaupten können, nichts von den Gewinnverschiebungen gewusst zu haben.

Kellerhals Carrard wehrt sich gegen den Vorwurf

Besonders stossend für die Schweizer Steuerzahler: Die Post hat für den Untersuchungsbericht von Kellerhals Carrard viel Geld bezahlt. «Die Gesamtkosten für die Untersuchung belaufen sich auf ­einen mittleren einstelligen Millionenbetrag», schreibt die Medienstelle des Staatsbetriebs auf Anfrage von SonntagsBlick. Das heisst wohl rund fünf bis sieben Millionen Franken. «Diese Kosten beinhalten aber weit mehr als die Arbeiten von Kellerhals Carrard, so beispielsweise auch die Arbeiten von Ernst & Young und die Arbeiten der Experten», rechtfertigt sich die Post.

Der nächste lukrative Grossauftrag ist schon gesichert: Vor wenigen Wochen hat der Bundesrat Kellerhals Carrard damit beauftragt, gemeinsam mit dem ehemaligen Bundesrichter Niklaus Oberholzer die sogenannte Crypto-Affäre zu untersuchen. Im Kern geht es da­rum, herauszufinden, wer in Bundesbern darüber informiert war, dass die scheinbar unabhängige Zuger Crypto AG in Wirklichkeit dem amerikanischen CIA und dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) gehörte und mit manipulierten Verschlüsselungssystemen andere Staaten bespitzelte.

Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli (48): «Die Enthüllungen von BLICK zeigen: Im Postauto-Untersuchungsbericht wurde ein wesentliches Protokoll ausgeblendet. Das stärkt sicher nicht das Vertrauen in die Crypto-Leaks-Untersuchung der gleichen Anwaltskanzlei.» Glättli fordert deshalb eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), um Crypto-Leaks aufzuklären. Roger Nordmann (46), Fraktionschef der SP, sieht das genauso.

Kellerhals Carrard wehrt sich derweil gegen den Vorwurf, bei der Postauto-Affäre ein Gefälligkeitsgutachten erstellt zu haben. Zudem habe die Post keinen Einfluss genommen, welche Dokumente im Untersuchungsbericht publiziert werden. «Die Post hat alle unsere Informations- und Dokumenta­tionsanfragen speditiv und vollständig bearbeitet.»

Zudem hätten drei unabhängigen Experten ihre Untersuchung beaufsichtigt.

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