Jetzt geht der Abstimmungskampf um die Begrenzungs-Initiative los
Taktische Corona-Spielchen der SVP

Die Corona-Krise wird für politische Manöver missbraucht. Da ist man sich ausserhalb der SVP einig. Die Partei schüre Angst, um so ihrer Begrenzungs-Initiative zum Durchbruch zu verhelfen.
Publiziert: 10.03.2020 um 08:27 Uhr
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Aktualisiert: 10.07.2020 um 09:07 Uhr
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SP-Fraktionschef Roger Nordmann: «Die SVP braucht die Angst, um die Kündigungs-Initative durchzubringen.»
Foto: keystone-sda.ch
Ruedi Studer

Die Frühlingssession wird definitiv nicht abgebrochen! Der Nationalrat lehnt den Abbruch-Antrag von SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41, ZG) deutlich ab – und setzte damit auch ein Zeichen gegen politische Ränkespiele. Denn viele Parlamentarier vermuten, dass die SVP die Corona-Krise für ihre politischen Ziele zu instrumentalisieren versucht.

Im Fokus steht dabei die Abstimmung vom 17. Mai über die Begrenzungs-Initiative der SVP, welche das Personenfreizügiskeitsabkommen mit der EU ins Visier nimmt. Mit der Corona-Angst mache die SVP Wind für ihre Initiative, so der Vorwurf. Tatsächlich stellte Aeschi die Corona-Thematik und die SVP-Initiative schon früh in einen Zusammenhang.

Überbrückungsrente im Visier der SVP

Nach der Begründung seines Abbruch-Antrags im Nationalrat sahen sich seine Kritiker geradezu bestätigt. «Analog zur Begrenzungs-Initiative wäre es richtig gewesen zu kontrollieren, wer überhaupt ins Land kommt», befand Aeschi. Und nannte eine ganze Reihe von der SVP nicht genehmen Vorlagen, deren Beratung man ruhig lassen könne, um stattdessen die «Handlungsfähigkeit für wirklich wichtige Themen wie die Eindämmung der Coronavirus-Seuche zu bewahren».

Zu den unnötigen Geschäften zählte er etwa auch die «neue Überbrückungsrente mit Kosten von Hunderten von Millionen Franken zur Abfederung der negativen Auswirkungen der Personenfreizügigkeit mit der EU». Fakt ist: Die SVP setzt alles daran, die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose zu kippen.

«SVP schürt Bunkerstimmung»

Kein Wunder also, kam Aeschis Manöver bei den anderen Parteien nicht besonders gut an. «Es ist klar, dass die SVP-Führungsriege in der Schweiz eine hochemotionale Bunkerstimmung schüren will», schimpft SP-Fraktionschef Roger Nordmann (46, VD). «Sie braucht die Angst, um die Kündigungs-Initative durchzubringen.» Das Volk lasse sich aber nicht für dumm verkaufen, ist er sich sicher. «Der Wegfall der bewährten Bilateralen würde nur zusätzliche Probleme im Lande bringen.»

Auf Twitter nervt sich auch FDP-Nationalrat Marcel Dobler (39, SG) über Aeschis Aktion. «Nationalrat Aeschi will die Session wegen des Coronavirus unterbrechen. Er brauchte immerhin 90 Sekunden, um den Bogen zur Begrenzungs-Initiative zu spannen», so Dobler. Und schiebt nach: «Jetzt arbeiten wir wieder, wie der Rest der Schweiz.»

Auch CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (43, SO) macht seinem Ärger Luft. «Aeschi begründet seinen Antrag auf Sistierung der Session rein politisch», twittert er. «Das ist eine Frechheit gegenüber all jenen, die ernsthaft und mit grossem Einsatz gegen diese Krankheit kämpfen.»

SVP-Matter dreht den Spiess um

Aeschi will sich nach verlorener Schlacht nicht gross äussern, auch nicht zu den Vorwürfen. «Der Rat hat nach Abwägung aller Argumente demokratisch entschieden. Dieser Beschluss wird respektiert», sagt er zu BLICK. Seine Zurückhaltung erklärt sich auch damit, dass ihm selbst die Mehrheit der SVP-Fraktion die Rückendeckung versagt hat.

Dafür springt SVP-Nationalrat Thomas Matter (53, ZH) in die Bresche. «Die Gegner unserer Initiative wollen die Überbrückungsrente um jeden Preis durch die Session peitschen, nur weil sie Angst vor der Abstimmung haben», dreht er den Spiess um.

Ganz Unrecht hat er damit nicht. Die Überbrückungsrente ist tatsächlich ein wichtiges Element im Abstimmungskampf. Die Gegner wollen damit zeigen, dass ihnen ältere Arbeitslose nicht egal sind – und wollen sie deshalb noch vor dem Urnengang ins Trockene bringen.

«Das Schnellzugstempo geht auf Kosten einer seriösen Beratung», moniert Matter. Mit der Rente wolle sich das Parlament ein Nein zur Initiative erkaufen. «Das ist der teuerste staatliche Abstimmungskampf, den die Schweiz je gesehen hat!»

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