Nur bei Gemeindewahlen hat die SVP in den Metropolen keine Chance
Wenn linke Städter rechts wählen

Keine Themen, keine Köpfe, keine Chance: Die SVP stürzt bei städtischen Wahlen ab – schlägt sich bei nationalen Urnengängen aber auch in den Zentren erstaunlich gut. Bei SP und FDP ist es genau umgekehrt, wie die grosse BLICK-Analyse zeigt.
Publiziert: 18.03.2018 um 23:22 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:53 Uhr
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Die SVP Schweiz von Präsident Albert Rösti (r.), Übervater Christoph Blocher (M.) und Toni Brunner findet auch bei Städtern Anklang.
Foto: Keystone
Nico Menzato, Vinzenz Greiner und Simon Huwiler

Die Regierungen der hiesigen Metropolen sind in SP-Händen. Und in den urbanen Parlamenten ist die Linke stark bis übermächtig. In Zürich und Winterthur kam es vor zwei Wochen zu einem Linksrutsch. Die Städter wählen links – so weit, so bekannt.

Jetzt aber zeigt eine BLICK-Analyse der sechs grössten Deutschschweizer Städte Zürich, Basel, Bern, Winterthur, Luzern und St. Gallen: Jene Städter, die bei Stadtparlamentswahlen auf die SP setzen, lassen diese bei Nationalratswahlen zum Teil im Regen stehen.

FDP lokal, SVP national

Das gleiche Phänomen bei der FDP: Die urbane Bevölkerung unterstützt den Freisinn geballter bei lokalen als bei nationalen Wahlen. Ganz anders die SVP: Während sie bei lokalen Urnengängen jeweils regelrecht abstürzt, kommt die Blocher-Partei bei nationalen Wahlen selbst bei den Städtern gar nicht so schlecht an.

Je lokaler die Wahl, desto linker und liberaler wählen also die Stadtbewohner. Bei nationalen Wahlen jedoch gibt es selbst in den Städten eine breitere SVP-Basis.

SVP stark mit nationalen Themen und lokal ideenlos

Eine Erklärung dieses Phänomens ist der unterschiedliche Themenmix, der Bürger stärker oder schwächer an die Urne lockt. So stimmen bürgerliche Stadtbewohner bei Lokalwahlen womöglich für die FDP, weil ihnen lokale Arbeitsplätze am Herzen liegen. Bei Nationalratswahlen strömen dann SVP-Städter an die Urne, weil sie gegen EU und Zuwanderung sind.

Matthias Leitner, stellvertretender FDP-Generalsekretär.
Foto: Zvg

Matthias Leitner, stellvertretender Generalsekretär der FDP Schweiz, bestätigt: «Themen der SVP wie Migration sind bei nationalen Wahlen präsenter als auf städtischer Ebene.» Die FDP hingegen könne in den Städten mit einem breiten Themenstrauss punkten – im Gegensatz zu einer «monothematischen Partei».

Dennoch hat der Freisinn vorletzte Woche einigermassen frustriert das Projekt FDP Urban ins Leben gerufen. Mit neuen thematischen Schwerpunkten will man der «linken Dominanz» in den Metropolen entgegentreten.

Er höre im Wahlkampf immer wieder das Klischee der Banken- oder Bonzenpartei, meckerte ein FDP-Lokalpolitiker gegenüber «Watson». Dann müsse er erklären, dass der Freisinn eine progressive, urbane Politik mache. Ob die städtische FDP jedoch tatsächlich auf andere Themen fokussieren soll, ist fraglich. Immerhin kommt sie gerade in den Lokalwahlen gut an, wie die BLICK-Analyse zeigt.

Gemeinnütziger Wohnungsbau zieht besser als Armeeabschaffung

Auch was den linken Wählern unter den Nägeln brennt, ist auf Stadt-, Kantons- oder Bundesstufe nicht dasselbe – mit Auswirkungen auf die Stärke. So scheint die SP ihre Wähler insbesondere mit Lösungen auf lokaler Ebene zu überzeugen: gemeinnütziger Wohnungsbau, Tempo 30, Velowege, ÖV, Kinderkrippen und ein grosses Kulturangebot.

Städtische Probleme gehören zum Kernprogramm der SP und schreien geradezu nach einer starken öffentlichen Hand. Auch wenn die SP-Städter gegen die Armee und für den Ausbau der Sozialwerke sein dürften – dies zieht heutzutage offenbar weniger.

Jean-Daniel Strub, Initiator der sozialdemokratischen Städtekonferenz.
Foto: zVg

Auch Köpfe entscheiden über Sieg oder Niederlage. «Bei Stadtparlamentswahlen kämpfen jeweils über hundert engagierte SP-Kandidaten um Stimmen und reissen sich ein Bein aus», sagt der Zürcher SP-Gemeinderat und Initiator der sozialdemokratischen Städtekonferenz, Jean-Daniel Strub. Bei Nationalratswahlen sei die Anzahl Kandidierender, die in ihrem direkten Umfeld stark mobilisieren könnten, zwangsläufig geringer und dieser Effekt daher weniger ausgeprägt.

«Städter haben Mühe, dazu zu stehen, SVPler zu sein»

Ganz gegenteilig die Erfahrung am anderen politischen Pol. So sucht man in vielen grösseren Städten vergebens nach prägnanten SVP-Politikern. Mit Ausnahme des Kantons Zürich gibt es in der Deutschschweiz gerade mal zwei SVP-Nationalräte, die in einer Grossstadt wohnen.

Donat Kuratli, Präsident SVP Stadt St. Gallen.
Foto: Facebook

Die SVP-Stadtparteien ächzen unter den fehlenden nationalen Zugpferden: Die Kandidatensuche für Wahlen in das Stadtparlament sei schwierig, sagt etwa Donat Kuratli, Präsident der SVP Stadt St. Gallen. «Viele Personen haben speziell in Städten Mühe, öffentlich dazu zu stehen, SVPler zu sein.»

So hat BLICK die Wahlen analysiert

BLICK hat die Wähleranteile der jeweils letzten zwei lokalen und nationalen Wahlen in den sechs grössten Städten analysiert. Das Ergebnis: Je lokaler die Wahl, desto linker und liberaler wählen die Städter – und desto kritischer sehen sie die grösste Partei im Land, die SVP. 

So ist der Wähleranteil der Volkspartei bei Stadtparlamentswahlen im Durchschnitt um satte 3,2 Prozent niedriger als bei Nationalratswahlen, wo Städter alle Kandidaten eines Kantons wählen können. Am ausgeprägtesten zeigt sich der desolate SVP-Zustand in St. Gallen: Während bei den Nationalratswahlen 2015 immerhin 21 Prozent der Städter ihre Stimme der Sünneli-Partei gaben, waren es bei den Stadtparlamentswahlen 2016 nur 14 Prozent.

Die SP dagegen schneidet bei städtischen Urnengängen im Schnitt 0,7 Prozent besser ab als national. Der grösste Graben tat sich just vor zwei Wochen auf: In Winterthur ZH kam sie bei den Stadtratswahlen auf 30 Prozent, bei den letzten Nationalratswahlen waren es nur rund 26 Prozent der Winterthurer, die sozialdemokratisch wählten.

Die FDP schliesslich ist lokal im Schnitt um 1,9 Prozent stärker als national. Dieses Phänomen gilt für alle Städte mit Ausnahme von Basel, wo der Freisinn Stimmen an die lokal starke, national aber kaum vorhandene LDP verliert.

Corine Mauch freut sich über ihr Resultat anlässlich der Stadtratswahlen im Stadthaus in Zuerich.
Corine Mauch freut sich über ihr Resultat anlässlich der Stadtratswahlen im Stadthaus in Zuerich.
EYSTONE / ENNIO LEANZA

BLICK hat die Wähleranteile der jeweils letzten zwei lokalen und nationalen Wahlen in den sechs grössten Städten analysiert. Das Ergebnis: Je lokaler die Wahl, desto linker und liberaler wählen die Städter – und desto kritischer sehen sie die grösste Partei im Land, die SVP. 

So ist der Wähleranteil der Volkspartei bei Stadtparlamentswahlen im Durchschnitt um satte 3,2 Prozent niedriger als bei Nationalratswahlen, wo Städter alle Kandidaten eines Kantons wählen können. Am ausgeprägtesten zeigt sich der desolate SVP-Zustand in St. Gallen: Während bei den Nationalratswahlen 2015 immerhin 21 Prozent der Städter ihre Stimme der Sünneli-Partei gaben, waren es bei den Stadtparlamentswahlen 2016 nur 14 Prozent.

Die SP dagegen schneidet bei städtischen Urnengängen im Schnitt 0,7 Prozent besser ab als national. Der grösste Graben tat sich just vor zwei Wochen auf: In Winterthur ZH kam sie bei den Stadtratswahlen auf 30 Prozent, bei den letzten Nationalratswahlen waren es nur rund 26 Prozent der Winterthurer, die sozialdemokratisch wählten.

Die FDP schliesslich ist lokal im Schnitt um 1,9 Prozent stärker als national. Dieses Phänomen gilt für alle Städte mit Ausnahme von Basel, wo der Freisinn Stimmen an die lokal starke, national aber kaum vorhandene LDP verliert.

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