Donald Trump kann auch anders: «Ich würde mich mit denen hinsetzen und so lange verhandeln, bis ich den besten Deal bekommen habe», schlug er einmal als Lösung des Dauerkonflikts mit Nordkorea vor.
Aber das war 1999. Und Trump noch nicht US-Präsident, sondern ein New Yorker Immobilienmillionär. Heute droht er dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un mit «Wut und Feuer, wie es die Welt noch nie gesehen hat». Und während einer Pressekonferenz in seinem Golfclub in Bedminster wurde er gefragt: «Mr. President, denken Sie auch an einen atomaren Erstschlag?» Trumps Antwort. «Wer weiss, wer weiss ... Aber darüber rede ich nicht.»
Die Möglichkeit hätte er. Der «Football», ein Aktenkoffer mit den Einsatzcodes für die Atomwaffen, ist immer in seiner Reichweite.
Von Präsident Truman abgekupfert
Trump hatte bei seinem historischen Vorgänger Harry Truman abgekupfert, der den Kriegsgegner Japan im August 1945 ultimativ zur Kapitulation aufforderte. Sonst werde «ein Feuer auf die japanischen Städte regnen, wie es die Welt noch nie erlebt hat».
Zwei Tage später wurde Hiroshima durch den ersten Atombomben-Einsatz zerstört. Der Atompilz über Nagasaki beendete den Zweiten Weltkrieg vor 72 Jahren dann endgültig. Seitdem herrscht Frieden zwischen den Atommächten, weil bei einem Angriff die totale gegenseitige Vernichtung droht – ein Prinzip, das Trump offenbar nie begriffen hat. Es sei eine der «grössten Dummheiten der Menschen», mit der Zerstörungskraft nuklearer Waffen zu kalkulieren, «damit die niemals eingesetzt werden. So ein Scheiss!», erklärte er in einmal im Macho-Magazin «Playboy» –Trump, wie er leibt und lebt.
Der Mann, der sich 1968 mit der Diagnose Fersensporn um die Einberufung zum Vietnamkrieg drückte, hat eine Faszination für alles Militärische. Mit markigen Sprüchen «eliminiert» er seine Gegner oder «radiert» mal eben Nationen von der Landkarte. Viele seiner Berater waren hohe Offiziere. «Meine Generäle», sagt der Präsident, als sei er der Chef einer Privatarmee.
«Das meiste über Raketen weiss ich sowieso»
Seit Jahrzehnten fällt der Populist mit Sätzen wie «Ich liebe den Krieg», aber auch durch mangelndes Verständnis der Materie auf. So etwa 1984 in einem Gespräch mit der «Washington Post». Da schlug er sich selbst zum Chefunterhändler bei den nuklearen Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion vor: «In kaum anderthalb Stunden würde ich alles über die Trägersysteme lernen. Das meiste über Raketen weiss ich sowieso.»
In der Vergangenheit machte er sich mit solchen Bemerkungen höchstens lächerlich. Doch inzwischen ist Trump der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und Herr über das weltgrösste Atomarsenal. Das macht ihn zur Gefahr für die USA und den Rest der Welt. Noch während des Wahlkampfs soll er seine aussenpolitischen Berater mehrfach gefragt haben, «warum wir die Bombe nicht einsetzen können». Und einem Journalisten, der ihn über seine Einstellung zum Einsatz von Nuklearwaffen befragte, antwortete er mit der genervten Gegenfrage: «Warum bauen wir sie sonst, fuck?»
Das Konzept Unberechenbarkeit
Bei seinem strategischen Hochrisikospiel mit Kim Jong Un setzt er auf seine Unberechenbarkeit. Zu diesem Konzept passt, dass parallel zum verbalen Kriegsgetöse der letzten Tage bereits seit Monaten geheime Verhandlungen mit dem Regime in Pjöngjang laufen. Zunächst ging es um die Freilassung mehrerer in Nordkorea inhaftierter Amerikaner. Mittlerweile reden Aussenminister Rex Tillerson und UN-Botschafterin Nikki Haley mit dem nordkoreanischen Diplomaten Pak Song Il auch über Nordkoreas Atomwaffen, angeblich bis zu 60 Bomben, inzwischen möglicherweise auch auch über miniaturisierte Sprengköpfe für Kims Raketen. Experten wissen: Es ist höchste Zeit, ernsthaft zu reden.
Trumps Strategie der Unberechenbarkeit dagegen ist dem Polit-Establishment in Washington zu gefährlich. Parteiübergreifend denken Abgeordnete und Senatoren darüber nach, wie ihm die Kontrolle über den Atomkoffer entzogen werden könnte.
Säufer Nixon wäre vom Atom-Koffer ferngehalten worden
Es gibt einen Präzedenzfall aus dem Jahr 1974: Weil Watergate-Präsident Richard Nixon wegen seiner Alkoholsucht intern als nationales Sicherheitsrisiko galt, stellten sein Sicherheitsberater und der Verteidigungsminister sicher, dass bei einem Atom-Alarm sie informiert werden sollten, keinesfalls der Präsident.
Ähnliche Absprachen sollen auch Trumps Sicherheitsberater Herbert R. McMaster und der neue Stabschef John Kelly getroffen haben. Nie sind beide gleichzeitig auf Reisen. Und Ex-General Kelly kontrolliert den Zugang verantwortungsloser Einflüsterer zum mächtigsten Mann der Welt. In Stanley Kubricks Kultfilm «Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben» aus dem Jahr 1964 reitet US-Major Kong in der Schlussszene auf der Bombe dem atomaren Inferno entgegen.
McMaster und Kelly wollen unter allen Umständen verhindern, dass sich Donald Trump in einen realen Dr. Seltsam verwandelt. Doch auch sie wissen: Allein werden sie ihren Dienstherrn, der am Freitag in einem Nebensatz gleich auch noch mit einem Krieg gegen Venezuela drohte, nicht stoppen können.
Wenn es um die US-Armee geht, gerät Präsident Trump regelmässig ins Schwärmen. Sie sei natürlich «unbesiegbar», denn sie verfüge über die «schönsten Raketen» und die «Mutter aller Bomben», die feindliche Stellungen tief unter der Oberfläche ausschalten könne. Ausserdem habe er in nur sechs Monaten Amerikas Atomwaffenarsenal modernisieren lassen.
Donald Trump lebt nun mal in einer Fantasiewelt. Der chirurgische Schlag gegen Kim Jong Uns Bombendepots ist eine Illusion. Selbst die besten Spionagesatelliten haben nicht entdecken können, wo der nordkoreanische Diktator seine bis zu 60 Atombomben lagert. Niemand weiss, ob Kims angeblich miniaturisierte Nukleargefechtsköpfe einsatzbereit sind. Viele Raketenabschussrampen sind mobil, die Kommandozentralen tief in die Berge eingegraben.
Auch ein amerikanischer Überraschungsangriff ist undenkbar. Der Aufmarsch rund um Nordkorea bliebe nicht unentdeckt. Der Plan, alle Verteidigungsanlagen des Regimes auf einen Schlag auszuschalten, würde Millionen Menschen das Leben kosten.
Unmittelbar in Gefahr wäre Südkoreas Hauptstadt Seoul. Die Zehn-Millionen-Einwohner-Metropole liegt kaum 60 Kilometer von der Grenze entfernt – und damit innerhalb der Reichweite von etwa 15'000 nordkoreanischen Artilleriegeschützen und Kurzstreckenraketen, die zum Teil mit chemischen und biologischen Kampfstoffen bestückt werden können.Mit dem Diktator verhandeln oder Seoul und seine Einwohner opfern, um Los Angeles und New York vor Kims Langstreckenraketen zu schützen – das sind Donald Trumps Optionen.
Wenn es um die US-Armee geht, gerät Präsident Trump regelmässig ins Schwärmen. Sie sei natürlich «unbesiegbar», denn sie verfüge über die «schönsten Raketen» und die «Mutter aller Bomben», die feindliche Stellungen tief unter der Oberfläche ausschalten könne. Ausserdem habe er in nur sechs Monaten Amerikas Atomwaffenarsenal modernisieren lassen.
Donald Trump lebt nun mal in einer Fantasiewelt. Der chirurgische Schlag gegen Kim Jong Uns Bombendepots ist eine Illusion. Selbst die besten Spionagesatelliten haben nicht entdecken können, wo der nordkoreanische Diktator seine bis zu 60 Atombomben lagert. Niemand weiss, ob Kims angeblich miniaturisierte Nukleargefechtsköpfe einsatzbereit sind. Viele Raketenabschussrampen sind mobil, die Kommandozentralen tief in die Berge eingegraben.
Auch ein amerikanischer Überraschungsangriff ist undenkbar. Der Aufmarsch rund um Nordkorea bliebe nicht unentdeckt. Der Plan, alle Verteidigungsanlagen des Regimes auf einen Schlag auszuschalten, würde Millionen Menschen das Leben kosten.
Unmittelbar in Gefahr wäre Südkoreas Hauptstadt Seoul. Die Zehn-Millionen-Einwohner-Metropole liegt kaum 60 Kilometer von der Grenze entfernt – und damit innerhalb der Reichweite von etwa 15'000 nordkoreanischen Artilleriegeschützen und Kurzstreckenraketen, die zum Teil mit chemischen und biologischen Kampfstoffen bestückt werden können.Mit dem Diktator verhandeln oder Seoul und seine Einwohner opfern, um Los Angeles und New York vor Kims Langstreckenraketen zu schützen – das sind Donald Trumps Optionen.