Es sei ja gut gemeint und das Anliegen wichtig, heisst es reihum über das Sparpaket des Bundesrates, das «Entlastungspaket 27». Die Staatsausgaben sollen in den kommenden drei Jahren um 2,7 bis 3,6 Milliarden Franken jährlich reduziert werden. Die Absicht ist, ein drohendes, strukturelles Defizit in ungefähr der gleichen Höhe zu vermeiden. Der Hauptposten, der das künftige Budget erhöht, ist die Aufrüstung der Armee. Aber auch die 13. AHV-Rente muss finanziert werden. Die Schuldenbremse macht die ganze Übung notwendig.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Um rund 3 Milliarden jährlich zu sparen, müssten Gesetze umgeschrieben und Subventionen per bundesrätliche Dekrete reduziert oder gestrichen werden. Weniger Klimasubventionen, Entwicklungshilfe, Kultur- und Umweltgelder. Ein Hauch von Trump weht durch die Gänge des Bundeshauses – wenn auch schweizerisch zivilisiert und fein gelistet samt Rechtsgrundlagen: 57 Sparmassnahmen und 2 Mehreinnahmen stehen zur Debatte.
Doch ob die je umgesetzt werden, ist eine ganz andere Frage. Denn 59 Massnahmen vorzuschlagen, heisst, 59 Widerstandsgruppen zu mobilisieren, darunter starke Lobbys wie die des öffentlichen Verkehrs, der Vorsorgebranche, der Bildung, des Gewerbes, der Arbeitgeber und der Kantone. Der Bund will rund 1 Milliarde Franken Finanzlasten auf die Kantone überwälzen. Ob das gut gehen kann?
Mehrbesteuerung der Vorsorgekapitalien
Eine der 59 Massnahmen ist Karin Keller-Sutters Idee, die Kapitalbezüge der zweiten und dritten Säule stärker zu besteuern und damit 160 Millionen mehr einzunehmen. Eigentlich läuft das unter dem Titel Abbau von Subventionen zugunsten Pensionierter. Doch selbst Keller-Sutters eigene Partei, die FDP, hat früh verlauten lassen, dass sie einen so gedachten Subventionsabbau bekämpfen werde, notfalls per Referendum. So reduzierte Keller-Sutter die geplante Besteuerung.
Doch Ende Januar, als das Entlastungspaket in die Vernehmlassung verschickt wurde, machte der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse postwendend kund, dass er diese Höherbesteuerung ablehne, weil sie keine «Lösung eines Ausgabenproblems» sei. Unerwähnt liess er, dass Keller-Sutter einen Subventionsabbau anstrebte, so wie mit den weiteren 58 Massnahmen.
Widerstand bürgerlicher Kreise
Ähnlich harsche Kritik dürfte vonseiten anderer betroffener Kreise auf den Bundesrat einhageln. Die «Handelszeitung» hat die grössten sieben Sparposten identifiziert und die Betroffenen gefragt, was sie von den Abbauplänen halten.
Das Ergebnis ist ernüchternd. Sie alle wollen das Paket bekämpfen, zuerst im Parlament und notfalls in einer Volksabstimmung. Auffallend: Nicht nur linke Kreise stehen im Vordergrund, sondern auch gutbürgerliche.
Beispiel Bundessubventionen ans kantonale Gebäudeprogramm. Vereinfacht geht es um die Energiesanierung des veralteten Gebäudeparks Schweiz. Bauherren erhalten Zuschüsse an energetische Renovationen. Hier will Karin Keller-Sutter 372 Millionen Franken jährlich einsparen.
Das Geld stammt aus der CO₂-Abgabe und ist gesetzlich geregelt. Die Subvention generiert Aufträge im Ausbaugewerbe, und dieses stellt Keller-Sutters Sparidee entsprechend infrage. «Wir werden den Kampf gegen diese Massnahme aufnehmen», sagt André Schreyer, Direktor des Verbandes Gebäudehülle Schweiz. Man sei bereits am Koordinieren und werde sich mit anderen Verbänden gegen die Absichten des Bundes zur Wehr setzen. Drei potente Verbände sind mit dabei: Swisscleantech, Bauenschweiz und AEE Schweiz, die durch sechs Mitglieder im Parlament vertreten sind. Allein AEE Schweiz organisiert 40 Verbände und 600 Unternehmen.
Abbau im ÖV und bei der Bildung
Am zweitmeisten soll im öffentlicher Verkehr gespart werden. Die Sparvorschläge seien «vollkommen unausgewogen» und nur realisierbar mit einem Abbau des Angebots, «vor allem in ländlichen Regionen», sagt Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands öffentlicher Verkehr.
Ein Referendum dagegen sei «denkbar», zusammen mit anderen Verbänden. «Da würden wir sicher mitmachen.» Der Verband vereinigt 130 Transportunternehmen und 180 Unternehmen aus Wirtschaft und Industrie. Und die Verkehrsdirektoren der Kantone sitzen dort mit am Tisch. Sie haben sich noch nicht verlauten lassen, aber der Widerstand sei gross. Mitte-Partei-Verkehrspolitiker Martin Candinas sagt: «Gegen einen solchen Angebotsabbau im ÖV werden wir uns dezidiert wehren.»
Am viertmeisten soll in der Bildung und Innovation gespart werden, etwa an Bundeszuschüssen für die berufliche Aus- und Weiterbildung. Der Gewerbeverband sammelt die Protestvoten. Ein Beispiel ist der Arbeitgeberverband der Metall- und Landtechnikbranche, AM Suisse.
1850 Mitgliedsfirmen sind dort organisiert, die 25’000 bis 30’000 Leute beschäftigen und 5000 Lehrlinge ausbilden. «Es wäre eine Bankrotterklärung der Schweiz, bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu sparen», sagt Verbandsdirektor Bernhard von Mühlenen. Die Berufsbildung sei gesetzlich eine Verbundaufgabe und der Bund ein Teil davon. «Sollte der Bund daran festhalten, wird unser Verband ein Referendum dagegen unterstützen», so der Verbandschef. Dafür werde man sich mit dem nationalen Arbeitgeberverband und dem Gewerbeverband koordinieren.
Weil bei allen grossen Sparposten die Kantone mitbetroffen sind, dürfte der grösste Widerstand dem Bund von ihrer Seite erwachsen. Allein im Asylbereich will Keller-Sutter 243 Millionen zur Integration von Asylbewerbern sparen. Die Nationale Sozialdirektorenkonferenz (SODK) wird sich zur Wehr setzen. Sie pocht auf die Volksabstimmung von 2016 zum Asylgesetz, wo das Volk bestimmt hat, dass der Bund die Asylintegration unterstützt. «Wenn das Sparpaket in dieser Form verabschiedet wird, so wird es klar im Interesse der Kantone sein, zu opponieren», sagt der Walliser SODK-Präsident Mathias Reynard.
Kantone: Bund soll selber sparen
Asyl, Unis, Bahnen, Strassen, Klimasanierungen, soziodemografischer Lastenausgleich – alles zulasten der Kantone? Der Präsident der Finanzdirektorenkonferenz, Ernst Stocker, sagt, er könne die Haltung der Kantone nicht vorwegnehmen, sie werde am 13. März publiziert. Aber er hält fest, dass der Bund seine eigenen Ausgaben in den Griff kriegen müsse. «Die Sanierung der Bundesfinanzen darf nicht auf Kosten der Kantone erfolgen.»
Nach erfolgter Auswertung der Vernehmlassung wird der Bundesrat über eine Botschaft ans Parlament entscheiden. Die Vorlage wäre ein Sammelerlass, der an der Urne bekämpft werden könnte. Das gleiche Parlament könnte ihn aber aufschnüren. FDP-Nationalrat Christian Wasserfall erklärt, die grosse Frage werde sein, «ob es eine Opfersymmetrie geben kann oder nicht».
Steuererhöhungen am Horizont
Economiesuisse moniert, dass die Ausgaben des Bundes weiterhin stark steigen, auch beim Personal und trotz Sparbemühungen. Dies zeigt eine Aufstellung der Jahre 2013 bis 2027. «Daran ändern auch die Entlastungsmassnahmen nichts», sagt der Chefökonom Rudolf Minsch. Gemäss Finanzplan würden die Ausgaben für den Personaletat bis 2027 erneut um mehr als 550 Millionen Franken steigen. Berücksichtige man die neuen Massnahmen, falle die Zunahme um lediglich 100 Millionen tiefer aus.
Die zuständige Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) verteidigt das Vorhaben. «Die grossen Milliardendefizite, die in der Zukunft absehbar sind, bleiben bestehen – und müssen zur Einhaltung der Schuldenbremse gelöst werden.» Es brauche eine nachhaltige Finanzierung der AHV und der Armeeausgaben. Raufe sich das Parlament nicht zusammen, werde es für alle teurer. «Sollte das Entlastungspaket 27 nicht vollständig umgesetzt werden können, müsste man über Steuererhöhungen diskutieren», sagt Sprecher Philipp Rohr. In diesem Licht erscheint Karin Keller-Sutters Vorhaben als ein Zwischenschritt, um das Publikum auf Steuererhöhungen einzustimmen.