Nimmt das Parlament Lauber aus dem Rennen?
Tag der Abrechnung für den Bundesanwalt

Morgen können National- und Ständeräte einen Schlussstrich unter die Affäre Lauber ziehen und Platz für einen neuen Mann oder eine neue Frau machen. Doch seine Abwahl ist alles andere als sicher.
Publiziert: 23.09.2019 um 23:14 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2019 um 07:37 Uhr
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Das Bild ging um die Welt: Am 27. Mai 2015 verhaftet die Zürcher Polizei im Fünfsternehotel Baur au Lac sieben Spitzenfunktionäre der Fifa.
Foto: Pascal Mora
Sermîn Faki

Morgen Mittwoch entscheidet sich die weitere Karriere von Bundesanwalt Michael Lauber (53). Gegen 8.30 Uhr steht die Wiederwahl des obersten Strafverfolgers an. Der Bundesanwalt braucht 123 Stimmen. Die Wette, dass er diese erhält, mögen derzeit wenige abschliessen.

Zwar sprechen sich SVP und FDP mehrheitlich für Lauber aus – doch dass ihre Fraktionsmitglieder in der geheimen Wahl wirklich Lauber auf den Zettel schreiben, ist ungewiss. Und wie viele Freisinnige sich hernach sagen lassen wollen, bloss dem Druck des FDP-Nationalrats und Genfer Anwalts Christian Lüscher (55) nachgegeben zu haben, der sich für Lauber stark machte, muss sich weisen. Denn Lüscher könnte mit der Unterstützung Laubers ganz eigene Ziele verfolgen. Laut «NZZ am Sonntag» vertritt Lüscher einen Beschuldigten im Petrobras-Fall. Mit dem Korruptions-Skandal um den brasilianischen Ölkonzern befasst sich derzeit die Bundesanwaltschaft (BA).

Die Haltung der SP entscheidet

Nachdem Grüne und die CVP die Stimmfreigabe beschlossen haben, ist nun mitentscheidend, wie sich die SP positioniert, bei der Lauber heute antritt. Es wird zwar eine eher kritische Haltung erwartet. Doch Lauber mag im persönlichen Auftritt zu überzeugen.

Klar ist aber auch: Bei den 46 Ständeräten hat Lauber Chancen auf eine Wiederwahl. Denn sowohl die Konferenz der kantonalen Justizdirektoren als auch die Staatsanwälte-Konferenz sprechen sich für den Angeschlagenen aus.

Denn bis zu den umstrittenen Treffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino (49) brachte der Bundesanwalt vor allem eines in die zuvor über Jahrzehnte von Intrigen und Skandalen geschüttelte Behörde: Ruhe. Nach acht Jahren unter ihm funktioniert die Bundesanwaltschaft immerhin. Sie brachte grosse Verfahren zum Abschluss. Etwa den Tamil-Tiger-Prozess, das Verfahren gegen Millionenbetrüger Dieter Behring (†63) und einige Terror-Urteile, so gegen die Schaffhauser IS-Zelle.

Auch wenn die Verfahren mit enormen Aufwand und wenigen Urteilen verbunden waren, läuft der BA-Tanker zumindest. Kommt hinzu: Unter Lauber wurden wichtige Verfahren mit grosser internationaler Tragweite eröffnet – der Fifa-Komplex, das Verfahren gegen den malaysischen Staatsfonds 1MDB – und eben jenes gegen Petrobras.

Lauber hat der Angriff auf die AB-BA geschadet

Eigentlich hat Lauber sich nicht mit den unprotokollierten Treffen mit Infantino und dem Vergessen eines Treffens unmöglich gemacht. Das meiste Vertrauen hat er mit seinen Angriffen auf die Aufsichtsbehörde über die BA (AB-BA) verspielt und damit, dass er die Arbeit der AB-BA laut deren Aussage hintertreibt.

Damit schadete Lauber dem Ansehen der Bundesanwaltschaft enorm. Doch genau hier ist die Chance Laubers: Umsichtige Parlamentarier könnten sich scheuen, die BA durch die Abwahl Laubers noch zusätzlich zu schwächen. Ein neuer Chef, der erst noch gefunden werden muss, müsste sich in die die Dossiers einarbeiten. Verfahren würden sich verzögern, Delikte vielleicht gar verjähren. Unter dem Strich wären Unsummen für Ermittlungen aufgewendet worden – für nichts.

Doch auch die Wiederwahl birgt Risiken: Ein angeschlagener Bundesanwalt, dem die Öffentlichkeit nicht mehr über den Weg traut, stärkt die BA eben auch nicht.

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