Niemand will der nächste «Fall Markwalder» sein
Geschenk-Angst im Bundeshaus

Im Bundeshaus gelten Einladungen plötzlich als Risiko. Politiker befürchten, käuflich zu erscheinen.
Publiziert: 31.05.2015 um 22:20 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 21:16 Uhr
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Christa Markwalders Kasachen-Affäre sorgt für Angst im Bundeshaus.
Foto: EQ Images/Patrick Luethy
Von Marcel Odermatt und Simon Marti

Im Bundeshaus geht die Angst um. Jahrelang tingelten die Politiker von Apéro zu Apéro, von Buffet zu Buffet, von Reisli zu Reisli. Als VIPs pilgerten sie an teure Firmenanlässe und schicke Kultur-Events. Jetzt fragen sich plötzlich viele: Darf man das? Welche Absicht steckt hinter den netten Einladungen?

Niemand will im Wahljahr als käuflich gelten.

Grund für diese Sorgen ist die Kasachstan-Affäre um die beiden FDP-Parlamentarier Christa Markwalder (39, BE) und Walter Müller (67, SG). Letzterer musste nach einer Rüge der Partei seinen gesponserten Ausflug in die kasachische Hauptstadt Astana aus dem eigenen Sack bezahlen.

In allen Fraktionen war die Causa das Thema vor Beginn der Sommersession am Montag. SP-Fraktionspräsident Andy Tschümperlin (SZ, 53) sagt: «Viele Parlamentarier sind nach den jüngsten Lobbying-Affären verunsichert. Sie fragen sich, welche Einladungen sie noch annehmen dürfen.» Er empfahl seinen Kolleginnen und Kollegen, künftig im Zweifel die Parlamentsdienste anzufragen. «Sie müssen entscheiden, was zulässig ist und was nicht.»

Wichtig ist für Tschümperlin auch der Absender. «Ich würde beispielsweise eine Einladung ans Filmfestival von Locarno von der UBS nicht annehmen – eine von SBB, Post oder Swisslos dagegen schon», sagt der Sozialdemokrat.

Was er dabei möglicherweise vergisst: Nicht nur Grossbanken versuchen Parlamentarier von ihren Anliegen zu überzeugen, auch bundesnahe Betriebe hängen von Parlamentsentscheiden ab.

Wie die SP diskutierte auch die CVP über den Umgang mit Lobbyisten. CVP-Nationalrat Martin Candinas (GR, 34) fühlte sich dabei daran erinnert, vorsichtig zu sein.

Während die Parteien noch über dem korrekten Umgang mit Lobbyisten brüten, gehen die Anmeldetalons weiterhin stapelweise bei den Ratsmitgliedern ein. SVP-Nationalrat Jürg Stahl (ZH, 47) sagt: «Pro Session erhalte ich rund hundert Einladungen.» Parteikollege Roland Büchel (SG, 49) ergänzt: «An jedem Sessionstag könnte ich fünfmal zu Mittag und fünfmal zu Abend essen.» Das mache er aber nicht, er wolle Bern nach der Session nicht als «Fass verlassen».

Grüne sammeln ihre Einladungen

Deutlicher wird der Fraktionspräsident der Grünen, Balthasar Glättli (43, ZH). Er habe seinen Parteikollegen klar gesagt: «Wir müssen aufpassen, wir stehen jetzt unter genauer Beobachtung.» Ein Mittagessen sei noch keine Korruption, so der Zürcher. Aber bei häufigen Einladungen derselben Interessengruppen könnten auch kleine Gefälligkeiten zu Abhängigkeiten führen. Die Grünen verlangen nun vom Büro des Nationalrats Klarheit. Die Fraktionsmitglieder sammeln derzeit ihre Einladungen, darunter etwa jene für das Filmfestival von Locarno und das Jazzfestival in Montreux. Das Nationalratsbüro soll jetzt entscheiden, was noch erlaubt ist.

Für die Grünen ist schon heute klar, dass Hotelübernachtungen wie am Filmfestival neu zwingend aus dem eigenen Sack bezahlt werden müssen. Bislang überliess es die Fraktion den einzelnen Parlamentariern, ob sie solche Arrangements inklusive Übernachtung annehmen wollten oder nicht.

Doch mit Selbstbeschränkung ist es nicht getan. Die Ökopartei sagt dem undurchsichtigen Lobbying in der Wandelhalle grundsätzlich den Kampf an. Glättli und Co. lancieren eine Kaskade von Vorstössen, die für mehr Transparenz unter der Bundeshauskuppel sorgen sollen. Sie verlangen, dass auch die Tagespässe für die Wandelhalle erfasst und veröffentlicht werden. Bislang sind lediglich die permanenten Zugänge einsehbar, welche die Parlamentarier vergeben können.

Weiter fordern die Grünen, dass National- und Ständeräte nicht nur ihre Inte-ressenbindungen angeben müssen. Die Politiker sollen künftig auch deklarieren, wie viel ihnen diese Mandate einbringen. Gleiches soll auch für die Parteienspenden gelten.

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