Nicht verfassungskonform
Ehemalige Mädchenschule von Keller-Sutter als diskriminierend verurteilt

Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Jungen Grünen St. Gallen gegen den Bildungsauftrag der Gemeinde Wil SG an die Mädchensekundarschule des Klosters St. Katharina gutgeheissen. Die religiöse Ausrichtung und die Geschlechtertrennung verletzten Grundrechte.
Publiziert: 17.01.2025 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2025 um 20:20 Uhr
Das Bundesgericht hat sich mit der vom Kloster St. Katharina geführten Mädchensekundarschule in Wil SG befasst.
Foto: Keystone
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Mit drei zu zwei Stimmen hat das Bundesgericht in einer öffentlichen Beratung einen Entscheid des Verwaltungsgerichts St. Gallen und den diesem Urteil zugrunde liegenden Beschluss des Wiler Stadtparlaments vom Februar 2016 aufgehoben. Somit ist der Betrieb der Schule nicht verfassungskonform. Das Urteil könnte Auswirkungen auf weitere Schulen mit religiösem Hintergrund haben.

Gemäss einem Nachtrag sollte die Stiftung Schule St. Katharina den bestehenden Schulvertrag zwischen der Gemeinde Wil und dem Kloster St. Katharina übernehmen. Die Schule setzt nebst dem regulären Bildungsauftrag «Akzente», die sich aus der Zugehörigkeit des Ordens ergeben.

Kein gleiches Angebot für Knaben

So gibt es nebst dem zusätzlichen Musikunterricht, Gottesdienste, eine Assisiwoche, Wallfahrten und weitere in Zusammenhang mit dem katholischen Glauben zusammenhängende Angebote. Die Schule steht nur Mädchen offen. Für Knaben gibt es kein vergleichbares Angebot in der Gemeinde Wil. 

Prominente Abgängerin der Mädchenschule ist die heutige Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61). 

Neutralitätspflicht für Schulen

Das Bundesgericht hat nach einer hitzigen Diskussion entschieden, dass der Vertrag die Glaubens- und Gewissensfreiheit und das Diskriminierungsverbot verletzt. Für öffentliche Schulen bestehe eine konfessionelle Neutralitätspflicht. Eine Schule und ihre Lehrpersonen dürften sich nicht zu einer Religion bekennen.

Die Mädchensekundarschule des Klosters St. Gallen – auch Kathi genannt – setze hingegen klare religiöse Akzente. Es bestehe eine konfessionelle Ausrichtung, die mit einer öffentlichen Schule nicht vereinbar sei.

Zwar sei die Teilnahme an den religiösen Veranstaltungen freiwillig. Dies erachtet das Gericht aber gerade auch in Bezug auf den Gruppendruck und die Beeinflussung kritisch. Gleiches gilt dafür, dass nur Mädchen an der Kathi zugelassen sind. Für eine Ungleichbehandlung von Mädchen und Knaben bedürfe es einer qualifizierten Begründung, führte eine der Richterinnen aus. Eine solche liege nicht vor.

Zudem sei eine Schule nicht nur ein Ort, wo Bildungsinhalte vermittelt würden. Es gehe auch darum zu lernen, miteinander zu leben und Toleranz zu üben. Die Kathi führe die separate Schulung von Mädchen in der Tradition ihrer Gründungszeit im 19. Jahrhundert fort.

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