Nationale Untersuchung zeigt
Lebensumstände im Asylbereich gefährden Wohlergehen von Kindern

Das Wohlergehen und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Nothilfe im Schweizer Asylbereich sind gefährdet. Dies zeigt eine von der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM) in Auftrag gegebene Studie.
Publiziert: 30.09.2024 um 10:51 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2024 um 22:19 Uhr
Die Lebensumstände in der Nothilfe im Asylbereich gefährden das Wohl von Kindern und Jugendlichen.
Foto: CHRISTIAN BEUTLER
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Die Lebensbedingungen der betroffenen Kinder seien nicht mit der Bundesverfassung und der Uno-Kinderrechtskonvention vereinbar. Die körperliche, geistige und soziale Entwicklung sowie die Gesundheit dieser Kinder würden zu wenig geschützt, teilte die EKM am Montag mit.

Traumatisierende Erlebnisse

Besonders der schlechte psychische Zustand der betroffenen Kinder und Jugendlichen ist gemäss der Studie besorgniserregend. In den Kollektivunterkünften seien sie traumatisierenden Erlebnissen wie Gewalt, Suiziden oder gewaltsamer Ausschaffung ausgesetzt.

Sie würden teilweise mit der ganzen Familie in einem einzigen Zimmer und ohne Rückzugsmöglichkeit leben. Isolation, Perspektivlosigkeit und Ohnmacht beeinträchtigten die psychosoziale Entwicklung und ihre psychische Gesundheit.

Besserer Zugang zu Bildung

Zur Wahrung der Grundrechte der Kinder brauche es eine stärkere Berücksichtigung ihrer altersspezifischen Bedürfnisse, hiess es weiter. Kinder bräuchten mehr als das für das biologische Überleben Notwendige. Sie bedürften der sozialen Teilhabe, Erholung und Freizeitbeschäftigungen. Sie müssten einen «normalen» Alltag führen können.

Die Studie schlägt weitere substanzielle Änderungen vor. Unter anderem sollen Langzeitbezüge von mehr als einem Jahr von Nothilfe durch Kinder und Jugendliche verhindert werden und Familien sollen familiengerechte Unterkünfte zugewiesen werden. Hinzu kommen ein verbesserter Zugang zu Volksschule und Berufsbildung sowie psychologische Betreuungsangebote und Unterstützungsprogramme.

Politik und Behörden in der Pflicht

Das Schweizer Nothilferegime sei zwar mit der Absicht errichtet worden, negative Asylentscheide durchzusetzen und die Betroffenen zur Ausreise zu bewegen. Das rechtfertige aber nicht die Lebensumstände der Kinder und Jugendlichen in der Nothilfe, schrieb die EKM. Die Schweiz sei verpflichtet, die Rechte aller Kinder und Jugendlichen zu schützen, die innerhalb ihrer territorialen Grenzen leben.

Aus Sicht der EKM stehen Politik und Behörden in der Pflicht. Die Kommission fordert vom Bund, dass dieser das Asylgesetz so anpasst, dass die Kinderrechte gewahrt werden. Laut der Studie gibt es in den Kantonen beträchtliche Unterschiede. Diese würden zeigen, dass Spielräume vorhanden und wirksame Schritte möglich wären.

Reformierte Kirchen besorgt

Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn zeigen sich äusserst besorgt über die vorliegenden Ergebnisse. Insbesondere das mangelnde Angebot für Kinder im Vorschulalter führe zu teils irreversiblen Entwicklungsschäden. Der Verein Save the Children unterstützt die Empfehlungen der Studie und fordert deren umfassende Umsetzung. Das gegenwärtige Nothilfesystem erweise sich als nicht kindgerecht.

Ähnliche Verhältnisse würden ausserhalb der Nothilfe höchstwahrscheinlich eine Meldung an eine Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde nach sich ziehen, schrieb Save the Children. Der Verein begrüsse den angestossenen Diskurs zwischen allen Akteurinnen und Akteuren sowie den betroffenen Familien.

700 Kinder und Jugendliche in Nothilfestrukturen

Auch das National Coalition Building Institute, welche das Flüchtlingsparlament der Schweiz führt, sprach sich für eine unverzügliche Umsetzung der Massnahmen aus. Es werde genau beobachtet, welche Schritte die Kantone unternehmen, um die Nothilfe zu reformieren, Kinderrechte zu respektieren und Wiedergutmachung zu leisten.

700 Kinder und Jugendliche leben gemäss der EKM in der Schweiz in Nothilfestrukturen. Mehr als die Hälfte von ihnen sind dort bereits länger als ein Jahr untergebracht, viele seit mehr als vier Jahren.

Im Auftrag der EKM untersuchte das Marie Meierhofer Institut für das Kind in einer unabhängigen Studie erstmals in der ganzen Schweiz Daten zu den Lebensbedingungen von Minderjährigen in Nothilfestrukturen. Zusätzlich erstellte die Universität Neuenburg dazu ein Rechtsgutachten und ordnete die Resultate rechtlich ein.

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