Die Erfolge der letzten fünfzig Jahre in der Gleichstellungspolitik könnten sich sehen lassen, reichten indessen nicht aus, sagte Dreifuss am Mittwoch zum feministischen Streik im «Tagesgespräch» mit Schweizer Radio SRF.
Vom ersten Frauenstreik 1991 ist ihr vor allem der Aufwand in Erinnerung. Damals hätten die Gewerkschaften zeigen wollen, welche riesige Arbeit Frauen leisten.
Eine halbe Million sei auf die Strasse gegangen. Ohne Frauenstreik wäre sie nicht in den Bundesrat gewählt worden. An jenem 14. Juni sei eine Bewegung entstanden.
Die Wahl war dann recht dramatisch, denn das Parlament wählte die offizielle SP-Kandidatin Christiane Brunner nicht. Statt ihrer sollte Francis Matthey Bundesrat werden. Matthey verzichtete und die Räte zogen Dreifuss Brunner vor.
Aktuell gebe es gewisse Parteien, welche Fortschritte rückgängig machen wollten, sagte Dreifuss. Dabei verwies sie auf das erhöhte Frauenrentenalter. Frauenstreiks brauche es weiter. Das forciere die Entwicklung ein wenig.
Dass der Frauenstreik neu feministischer Streik heisst, interpretiert Dreifuss als Einladung an alle Frauen. Feminismus habe für viele einen linken Anklang, sei aber keineswegs ein Schimpfwort. Der Streik beinhalte keine linken Forderungen. Es gehe um Frauenrechte.
Die aktuelle Diskussion über die Neutralität sei im Fall des Ukraine-Kriegs ungenügend. Die internationale Gesetzgebung bezeichne Angriffskriege als Verbrechen. In einem solchen Fall müsse ein neutraler Staat nicht auf beiden Seiten stehen. Darum spricht sich Dreifuss auch für die Weiterleitung von Schweizer Kriegsmaterial durch andere Länder aus.
Die 1940 in St. Gallen geborene Ruth Dreifuss gehörte von 1993-2002 der Landesregierung an, wo sie dem Departement des Innern (EDI) vorstand. 1999 war sie die erste Bundespräsidentin der Schweiz.
Dreifuss arbeitete unter anderem als Journalistin, Sozialarbeiterin und Zentralsekretärin beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Sie gestaltete den ersten Frauenstreik 1991 massgeblich mit. Vor ihrer Wahl in die Landesregierung hatte sie nie ein Mandat im eidgenössischen Parlament. Auf sie geht unter anderem die ärztlich verschriebene Heroinabgabe an Schwerstsüchtige zurück. Dreifuss wohnt in Genf.
(SDA)