Im Abstimmungskampf um die Begrenzungs-Initiative der SVP ist sie ein wichtiger Pfeil im Köcher der Gegner: die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose. Das neue Sozialwerk soll zeigen, dass Politik und Wirtschaft die Problematik ernst nehmen.
Das Geschäft soll in der Sommersession unter Dach und Fach gebracht werden. Dann gilt: Wer mit 60 oder älter ausgesteuert wird, erhält bis zur Pensionierung eine Überbrückungsleistung, statt beim Sozialamt anklopfen zu müssen. Um die genaue Höhe streiten sich die Räte noch. Was sich abzeichnet: Ein Mehrpersonenhaushalt erhält maximal knapp 66'000 Franken pro Jahr, Alleinstehende je nach Variante 39'000 bis 44'000 Franken. Kostenpunkt insgesamt: Rund 150 Millionen Franken pro Jahr.
SVP ärgert sich doppelt
Die neue Rente ärgert die SVP gleich doppelt. Erstens nervt sich die Rechtspartei darüber, dass mit der Überbrückungsrente ihre Initiative gebodigt werden soll. Zweitens will sie grundsätzlich kein neues Sozialwerk.
«Wir dürfen nicht unnötig Geld für neue Sozialwerke verbrauchen – das gilt für den Vaterschaftsurlaub ebenso wie für die Überbrückungsrente», sagt SVP-Chef Albert Rösti (52) zu BLICK. Gerade angesichts der Corona-Krise, welche die Arbeitslosenzahlen steigen lässt, will er nichts davon wissen. «In der heutigen Phase der hohen Arbeitslosigkeit lädt die Überbrückungsrente gerade dazu ein, ältere Arbeitnehmende zu entlassen», so Rösti. Damit wirke sie sich für jene, denen man helfen wolle, kontraproduktiv aus.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (41) legt noch einen drauf: «Ältere Arbeitslose wollen keine Almosen, sondern Arbeit. Die Lösung dafür bietet unsere Begrenzungs-Initiative, damit steuern wir die Zuwanderung selber und schaffen einen echten Inländervorrang.»
Aeschi plädiert für Referendum
Die Überbrückungsrente führe zu einer weiteren Kürzung der Löhne der Angestellten, glaubt Aeschi. Für ihn ist deshalb klar: «Kommt die Vorlage im Parlament durch, ist ein Referendum nötig. Ein neues Sozialwerk muss zwingend vors Volk.»
Er sieht dafür die Wirtschaftsverbände in der Pflicht. Doch sowohl Arbeitgeberverband wie auch Gewerbeverband winken ab. «Die Überbrückungsrente ist Teil eines Gesamtpakets für ältere Arbeitslose, wir tragen sie deshalb mit», sagt Fredy Greuter (56) vom Arbeitgeberverband. Die Corona-Krise ändere nichts daran, denn eine höhere Arbeitslosigkeit sei ein konjunkturelles Problem.
Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (62) betont: «Wir haben die Überbrückungsleistung immer mitgetragen.» Das sei schon lange vor Corona so gewesen und werde so bleiben. «Der Gewerbeverband ist nicht bekannt dafür, sein Wort zu brechen.»
SVP entscheidet nach Schlussabstimmung
Die SVP muss also selber die Ärmel hochkrempeln, wenn das Volk entscheiden soll. Für Parteichef Rösti ist klar: «Die SVP muss wieder häufiger Referenden ergreifen angesichts der politischen Kräfteverhältnisse im Parlament.»
Ob die SVP bei der Überbrückungsrente Ernst macht, will der Parteileitungsausschuss aber erst nach der Schlussabstimmung in der dritten Sessionswoche entscheiden. Das hänge auch von den Kapazitäten ab, sagt Rösti mit Blick auf das CO2-Gesetz. Gegen dieses hat die Partei das Referendum bereits angekündigt.
Rösti ist sich sicher, dass das Referendum «so oder so von irgendwoher ergriffen wird». Denkbar ist, dass wie schon beim Vaterschaftsurlaub SVP-nahe Kreise in die Bresche springen und die Partei später nachzieht. «Ich würde ein Referendum selbstverständlich unterstützen, weil es sinnvoll ist», so Rösti.
«Ich persönlich bin überzeugt, dass wir das Referendum ergreifen sollten», sagt derweil Aeschi. Selbst, wenn man parallel auch gegen das CO2-Gesetz Unterschriften sammeln müsste. «Die SVP ist stark genug, zwei Referenden gleichzeitig zu stemmen. Das Volk muss in solch gewichtigen Fragen das letzte Wort haben.»
SP-Maillard freut sich auf die Debatte
Eine Auseinandersetzung, die SP-Nationalrat und Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (52) nicht scheut. Denn die Überbrückungsrente sei ein gutes Projekt. «Die SVP will ältere Arbeitslose in die Sozialhilfe abschieben», so Maillard. «Wir hingegen denken, dass jene, die ihr Leben lang gearbeitet haben und keinen Job mehr finden, eine gerechtere und angepasstere Lösung verdient haben.»
Auf diese Debatte freue er sich jetzt schon, so Maillard. An einem Referendum stört ihn bloss, dass damit Zeit verloren geht. «Ohne Referendum kann die Vorlage per 2021 in Kraft treten. Das würde vielen rasch helfen, die nun von der Corona-Krise betroffen sind.»