Das Verfahren zum Postauto-Bschiss durch das Bundesamt für Polizei (Fedpol) läuft noch immer. Es wird untersucht, wer verantwortlich ist für den grössten Subventionsskandal der Schweizer Geschichte, den das Bundesamt für Verkehr (BAV) beim gelben Riesen aufgedeckte.
Nun zeigt sich aber: Auch beim BAV lief nicht alles glatt. Auch dort könnten sich Mitarbeiter strafbar gemacht haben. Auf diesen Verdacht stiess das Fedpol im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens zum Skandal. Es fand Anzeichen für Korruption. Das zeigen BLICK-Recherchen.
Fedpol-Sprecherin Cathy Maret bestätigt, «dass das Fedpol im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens zu Postauto auf möglicherweise strafbare Handlungen gestossen ist. Diese haben wir bei der Bundesanwaltschaft angezeigt». Die Anzeige richte sich gegen unbekannt.
Und auch die Bundesanwaltschaft (BA) räumt ein, sie führe in dieser Angelegenheit ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung und der Vorteilsannahme. Die Strafanzeige des Fedpol sei am 22. März 2019 – also vor mehr als einem Jahr – eingegangen.
Einladungen nach Locarno
Im Klartext: Die BA untersucht, ob sich BAV-Mitarbeiter und Angestellte von Verkehrsbetrieben gegenseitig Vorteile verschafften. Laut BLICK-Quellen sollen BAV-Angestellten kostspielige Einladungen ans Filmfestival in Locarno TI mit Essen und Übernachtung angeboten worden sein. Ob es tatsächlich darum geht, ist unklar.
Auf Anfrage bestätigt BAV-Sprecherin Olivia Ebinger die Angebote: «Wir wissen, dass solche Einladungen nach Locarno eingegangen sind und von BAV-Mitarbeitern regelmässig abgelehnt wurden.» Man habe keine Anhaltspunkte dafür, dass Mitarbeiter des Amts Geschenke angenommen hätten.
Bundesanwaltschaft hat BAV-Leute befragt
Und: Einzelne Personen aus dem BAV seien als «Auskunftspersonen» angehört worden, «nicht als Beschuldigte». Soweit man wisse, seien auch Personen ausserhalb Amts angehört worden, so Ebinger.
Auskunftsperson ist nicht das Gleiche wie Beschuldigter. Aber: Die BA hat die Mitarbeiter des Bundesamts für Verkehr nicht als Zeugen befragt. Bei Auskunftspersonen kann eine Täterschaft nicht ausgeschlossen werden – sie könnten im Verlauf des Verfahrens noch zu Beschuldigten werden.
Eine Retourkutsche?
Das Fedpol-Verwaltungsstrafverfahren richtet sich gegen sechs Beschuldigte, die einst im Dienst der Post standen. Deren Aussagen, Zeugenaussagen von anderen und Unterlagen aus der Post haben das Fedpol offensichtlich auf die Korruptionsfährte geführt.
Kolportiert wird, BAV-Mitarbeiter seien aus dem Kreis der beschuldigten Ex-Pöstler angeschwärzt worden, weil das BAV den Postauto-Bschiss aufgedeckt hatte.
Weiteres Verfahren gegen Ex-BAV-Mann
Das Strafverfahren wegen Vorteilsannahme und -gewährung im Amt ist nicht das einzige Strafverfahren der Bundesanwaltschaft, in dem BAV-Leute eine Rolle spielen. Die BA führt seit Januar 2020 auch ein Verfahren, in dem ein früherer BAV-Beamter der Urkundenfälschung bezichtigt wird. Die beiden Verfahren haben jedoch keinen Zusammenhang.
Das zweite Verfahren hat das BAV sogar selbst ins Rollen gebracht: Es zeigte nicht nur den einstigen Mitarbeiter an, sondern machte die Sache im Februar auch selbst publik. Laut BLICK-Recherchen soll der Ex-BAV-Angestellte absichtlich eine Datenbank falsch geführt haben. Das soll der Mann aber nicht gemacht haben, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen, sondern um sich Arbeit zu ersparen.
Bundesamt fand neben Postauto weitere schwarze Schafe
Das BAV machte Ende Februar nicht nur das Verfahren gegen den Ex-Mitarbeiter bekannt, sondern informierte auch darüber, dass die SBB und das Berner Verkehrsunternehmen BLS zu viele Subventionen eingenommen haben – ähnlich wie Postauto.
Vergeblich suchte man an diesem 28. Februar 2020 aber die Verkehrsbetriebe Luzern (VBL) auf der Liste fehlbarer Verkehrsunternehmen. In der Stadt Luzern hatte man noch unter dem Deckel halten wollen, dass auch hier zu hohe Abgeltungen bezogen wurden.
Erst durch BLICK war öffentlich geworden, dass es eine Rückzahlungsforderung in der Höhe von 16,1 Millionen Franken gibt. Scheibchenweise räumten die Luzerner dann auf Druck der Öffentlichkeit in den Folgetagen alles ein.
Verkehrsfirmen haben Bürgern 300 Millionen Franken weggenommen
Die zu viel bezogenen Subventionen summieren sich: Bei den SBB waren es 7,4 Millionen Franken, bei der BLS aktuell fast 44 Millionen. Die Berner hatten zuvor schon 29,4 Millionen zurückerstatten müssen. Wegen Postauto hatte der gelbe Riese mehr als 200 Millionen retourniert. Und bei den VBL sind es auch rund 16 Millionen Franken.
Zählt man die Rückzahlungen zusammen, zeigt es sich, dass die Verkehrsunternehmen dem Steuerzahler rund 300 Millionen Franken zu viel aus dem Portemonnaie gezogen haben.