Der Gewerbeverband (SGV) hat zusammen mit dem Touring-Club (TCS) berechnet, was ein Volks-Nein zur zweiten Röhre für die Autofahrer bedeuten würde. «Es bilden sich endlose Schlangen, die Wartezeiten explodieren – es kommt zu einem regelrechten Verkehrschaos», sagt SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler.
Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments wollen für 2,8 Milliarden Franken eine zweite Röhre bauen – und erst danach den 1980 eröffneten Strassentunnel sanieren. Lehnt das Volk die Vorlage aber ab, muss der 16,9 Kilometer lange Tunnel dennoch saniert werden – im Zeitraum zwischen 2020 und 2025. Eine Variante des Bundesrats sieht dann vor, den Tunnel für zweieinhalb Jahre komplett zu schliessen. Die Autos würden zwischen Göschenen UR und Airolo TI verladen. Der Güterverkehr käme auf eine rollende Landstrasse durch den Gotthard-Basistunnel. Dieser wird kommendes Jahr eröffnet.
Die Kapazität des Autoverlads reiche auch beim völlig reibungslosen Betrieb nie und nimmer aus, um das Verkehrsaufkommen bewältigen zu können, sagt Bigler anhand seiner Untersuchung, die BLICK exklusiv vorliegt. Gemäss dieser führt eine vollständige Gotthard-Sperrung Richtung Süden allein aufgrund von zu vielen Reisenden pro Jahr an 158 Tagen zu Wartezeiten. Insgesamt müssten die Autofahrer 1086 Stunden vor der Verladestation warten. Richtung Norden wäre die Situation für Automobilisten ebenso nervenaufreibend: Stau allein wegen zu viel Verkehr während 1025 Stunden an 149 Tagen pro Jahr.
Bei einer über zweieinhalbjährigen Sperrung des Gotthards bedeutet dies 5000 Stunden Stau – garantierten Stau! «Denn dies ist allein der systembedingte Grundsockel an Stau – dazu kommen, wie schon heute, unzählige Staustunden aufgrund von Unfällen, Pannen, schlechter Witterung und Problemen bei den Verladestationen», sagt Bigler.
Wie kommen SGV und TCS zu diesen Zahlen?
Ausgewertet wurden die Daten der Zählstelle im Gotthard im Jahr 2013. Diese zählt tagein, tagaus, wie viele Fahrzeuge die Röhre passieren – maximal sind dies 900 pro Stunde und Fahrtrichtung. Sind es mehr, stockt und staut es. 2013 wurde diese maximale Kapazität Richtung Süden und Norden während rund 350 Stunden überschritten.
Wäre bei diesem Verkehrsaufkommen der Gotthard geschlossen, würden sich die Staustunden laut SGV-Berechnungen massiv erhöhen. Denn die Verladestation, wie sie der Bundesrat bei einem Volks-Nein vorschlägt, kann nur 600 Autos pro Stunde und Richtung durch die Alpen schleusen. «Der Autoverlad wäre systematisch hoffnungslos überlastet», warnt Gewerbler Bigler.
Hat er damit recht?
Das Bundesamt für Strassen (Astra) wollte die Untersuchung nicht kommentieren – und verwies auf ein Faktenblatt, welches Auswirkungen einer Gotthard-Sanierung ohne zweite Röhre beschreibt. «Bei den Personenwagen bestehen ausreichend Verladekapazitäten», heisst es darin schlicht. Pro Jahr könnten 7,5 Millionen Autos verladen werden – bei aktuell fünf bis sechs Millionen Autos, die durch den Gotthard fahren.
Allerdings rechnet der Bund dabei mit viel Ausweichverkehr. Etwa über die Gotthardpass-Strasse, über den San Bernardino oder via Simplon-Route. Die Folgen, so das Astra-Faktenblatt, wären «entsprechende Belastungen für die betroffenen Regionen wie Lärm, Luft, Unfallgefahr».