Zumindest in einem Punkt sind sich die Österreicher einig: Die Vereidigung des neuen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (31) und seines Kabinetts heute Vormittag in der Wiener Hofburg ist eine historische Zäsur. Der grüne Bundespräsident Alexander Van der Bellen weiss: Mit der Koalition von Volkspartei (ÖVP) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) steht die Alpenrepublik am Beginn einer neuen Ära.
Eine Aussicht, die Österreichs Liberalen und Linken Angst macht. Sie fürchten drastische Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen und den Abbau von Arbeitnehmerrechten. Unter Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (48) wird Österreich auch zum inoffiziellen Wortführer der fremdenfeindlichen EU-Staaten Osteuropas. Schon als Aussenminister hatte Sebastian Kurz bei der Schliessung der sogenannten «Balkanroute» geholfen. Mit der deutschen Kanzlerin Merkel verbindet ihn eine intensive Hassliebe. Mit Regierungschef Kurz hat das Wiener Herz endgültig aufgehört, für Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber zu schlagen.
Die Linke mobilisiert
Und deshalb wird für Montagvormittag mit einem Verkehrskollaps in der Wiener Innenstadt gerechnet. Sechs Demonstrationszüge sind angemeldet. Linke Schüler- und Studentengruppen, die Überlebenden nationalsozialistischer Konzentrationslager und Befürworter einer liberalen Asylpolitik, aber auch die linksextreme Antifa und die Interventionistische Linke Wiens werden aufmarschieren. Die Polizei rechnet mit gewaltsamen Protesten.
Auch wenn es nicht das erste Mal ist, dass die Österreichische Volkspartei (ÖVP) eine Koalition mit der Freiheitlichen Partei Österreichs eingeht – so viel Macht wie jetzt hatten die Rechtspopulisten noch nie. Zumindest FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und sein Parteivolk sind begeistert: «Wir haben weit über 50 Prozent unserer Positionen durchgesetzt.»
Die Rechtspopulisten jubeln
Nichts mehr werde in Zukunft so sein wie bisher, hatte Kurz schon zu Beginn der siebenwöchigen Koalitionsverhandlungen mit den «Freiheitlichen» versprochen. Und der jüngste Regierungschef Europas hat Wort gehalten. Die steuerliche Entlastung vor allem mittlerer und niedriger Einkommen soll im Wesentlichen über Kürzungen im Sozialbudget – vor allem zu Lasten der Asylbewerber – finanziert werden.
Das ist ganz im Sinn der fremdenfeindlichen FPÖ, die künftig sechs von insgesamt dreizehn Ministern stellen wird. Darunter sind auch das Innen- und das Verteidigungsministerium. FPÖ-Chef Strache, der in Deutschland selbst einmal während einer Veranstaltung der rechtsextremen NPD verhaftet wurde, hat dafür gesorgt, dass die Schärfsten seiner «freiheitlichen» Rechtspopulisten alle Sicherheitsorgane und Nachrichtendienste der Alpenrepublik kontrollieren.
Refugees Not Welcome
Innenminister Herbert Kickl (49) etwa, der schon für den 2008 tödlich verunglückten FPÖ-Chef Jörg Haider die Reden schrieb und im vergangenen Wahlkampf mit Sprüchen wie «Daham statt Islam» oder «Abendland in Christenhand» auffiel.
Oder Verteidigungsminister Mario Kunasek (41), dem enge Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung nachgesagt werden und der schon mal eine prinzipielle Ausgangssperre für Asylbewerber forderte.
Unklar ist, welche Position genau die parteilose, aber von der FPÖ nominierte Aussenministerin Karin Kneissl (52) vertreten wird.
Immerhin: Die studierte Arabistin gilt als «Freundin» der Europäischen Union. Ein Referendum zum Austritt Österreichs aus der EU soll es unter ihr und ihrem Chef Sebastian Kurz nicht geben.