Die Eritrea-Asylpolitik der Schweiz ist im Bundeshaus ein Dauerbrenner. Gleich drei Vorstösse zum Thema behandelt morgen Mittwoch der Ständerat. Ihr gemeinsames Ziel: Vorwärts mit der Rückkehr der vorläufig aufgenommenen Eritreer!
Befeuert wird die Debatte durch das am Wochenende abgeschlossene Freundschaftsabkommen zwischen Eritrea und seinem Nachbarn Äthiopien. Der 20-jährige Krieg zwischen beiden ostafrikanischen Staaten ist letztlich der Grund dafür, dass so viele Eritreer ihr Land verlassen haben. Das eritreische Regime benutzt diesen Konflikt, um seine Staatsbürger in den Nationaldienst zu zwingen – einen unbefristeten Dienst am Land.
Nun nähern sich beide Staaten einander wieder an. Frieden am Horn von Afrika ist Wasser auf die Mühlen jener Politiker, welche die Eritreer wieder nach Hause schicken wollen.
SEM bremst Erwartungen
Doch so schnell sei das nicht möglich, so das Staatssekretariat für Migration (SEM). «Es ist zu früh, um abzuschätzen, ob und inwiefern die Friedensabsichten zwischen den zwei Ländern etwas an der aktuellen Asyl -und Wegweisungspraxis des SEM zu ändern vermögen», sagt Sprecher Lukas Rieder. «Zuerst muss abgewartet werden, wie sich die Situation weiterentwickelt. Das SEM beobachtet die Lage in Eritrea selbstverständlich weiterhin sehr aufmerksam.»
Allerdings hat das SEM in einem Pilotversuch die Situation von 250 Eritreern überprüft. 20 müssen die Schweiz verlassen. Die Krux: Eritrea ist nicht bereit, Staatsbürger wiederaufzunehmen, die zwangsweise zurückgeschafft werden sollen. In den bundesrätlichen Antworten auf Eritrea-Vorstösse aus dem Parlament ist denn auch hilflos von «Dialog» und «international koordinierten Massnahmen» die Rede.
Schweiz soll Migrationsexperten nach Eritrea schicken
FDP-Ständerat Damian Müller (33, LU) zieht andere Schlüsse. Zwar anerkennt er, dass das SEM gute Arbeit leistet und die vorläufigen Aufnahmen von Eritreern überprüft (BLICK berichtete). Aber der Freisinnige kritisiert, dass nicht versucht werde, die Wegweisungen zu vollziehen. Das Departement von Justizministerin Simonetta Sommaruga (58) «muss jetzt Gas geben», so Müller. Sonst gehe die Glaubwürdigkeit unserer Asylpolitik verloren.
Der Luzerner verweist auf die Flüchtlingskonvention: «Diese sagt klipp und klar, dass Rückschaffungen rechtens sind und Eritrea seine Leute wiederaufnehmen muss.» Die Schweiz müsse daher endlich eine diplomatische Präsenz in Eritrea aufbauen und statt eines Botschafters einen Migrationsspezialisten schicken.
Auch FDP-Asylpolitiker Philipp Müller (65, AG) will, dass das SEM vorwärtsmacht. «20 Wegweisungen auf 250 Fälle erscheinen mir sehr wenig. Zudem bin ich der Meinung, dass alle 9500 vorläufigen Aufnahmen überprüft werden sollen», sagte er der «Aargauer Zeitung».
Bundesamt will Eritrea «unterstützen»
Der dritte Vorstoss, von Nationalrätin Andrea Geissbühler (42, SVP), verlangt Verhandlungsgespräche mit dem Regierungschef von Eritrea, Isayas Afewerki (72). Der Nationalrat hat diese Motion im Juni angenommen, der Ständerat dürfte aber bremsen. Seine vorberatende Kommission beantragt Ablehnung, weil man dem Bundesrat nicht vorschreiben könne, mit wem er sprechen soll. Hingegen will die Kommissionsmehrheit den Bundesrat bitten, den Dialog mit den eritreischen Behörden und anderen Staaten fortzusetzen.
Auf dieses Vorgehen setzt auch SEM-Chef Mario Gattiker (61). Er erwartet eine Besserung der Situation erst, wenn die Regierung von Eritrea bereit ist, «sich zu öffnen und Reformen einzuleiten», sagte er kürzlich zu BLICK.