Der Ständerat will Sozialversicherungen, die bei Missbrauchsverdacht ihre Klienten überwachen, neben Bild- und Tonaufnahmen auch «technische Instrumente zur Standortbestimmung» erlauben. Dies beschloss er heute mit 29 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung. Die von der Sozialkommission erarbeitete Vorlage für ein Überwachungsgesetz ist somit bereit für den Nationalrat.
Zulässig sind solche technischen Mittel wie GPS-Sender oder Drohnen sonst nur für die Strafverfolgungsbehörden und den Nachrichtendienst, wie BLICK berichtete. Diese brauchen dafür eine richterliche Genehmigung.
Der Rat beschloss nun aber, dass auch bei den Überwachungen der Sozialversicherer ein Richter über den Einsatz von GPS-Peilsendern und Co. entscheiden soll. Er nahm einen entsprechenden Antrag von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR, 37) an.
Auch Drohnen könnten zum Einsatz kommen
Rechtsprofessoren schlugen vor den Beratungen im Ständerat Alarm. Auch der Bundesrat lehnte den Vorschlag der Kommission ab. Er wollte die Instrumente zur Standortbestimmung gar nicht zulassen. Innenminister Alain Berset (SP, 45) wies auf den Schutz der Privatsphäre und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit hin.
Berset erinnerte auch daran, dass potenziell viele Menschen betroffen seien. Die Regeln gelten nicht nur für die IV, sondern auch für die AHV sowie die Unfall-, Arbeitslosen-, und Krankenversicherung. Ausserdem sei unklar, welche technischen Instrumente erlaubt wären. Neben GPS-Trackern könnten auch Drohnen zum Einsatz kommen.
Für die Überwachung machte sich Alex Kuprecht (SVP, 59) stark. Es gehe nicht um Kavaliersdelikte, sondern um Betrug an den Sozialversicherungen und somit an der prämienzahlenden Allgemeinheit, argumentierte der Schwyzer Ständerat. Den betrügerischen Handlungen müsse ein Riegel geschoben werden. Er vertraue den Praktikern mehr als den Rechtsprofessoren.
Dass Missbrauch bekämpft wird, wollen auch die Kritiker der Vorlage. Dies habe aber unter Wahrung der rechtsstaatlichen Grundsätze zu erfolgen. Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung schiesse weit über das Ziel hinaus, sagte der St. Galler Paul Rechsteiner (SP, 65). «Da ist etwas aus dem Lot geraten.»
Observationen nicht auf den öffentlichen Raum beschränkt
Nach dem Willen des Ständerats sollen Versicherte dann observiert und überwacht werden dürfen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie unrechtmässig Leistungen beziehen oder zu beziehen versuchen. Die Observation anordnen kann eine Person mit Direktionsfunktion bei der Versicherung.
Die Ratslinke wollte im Gesetz verankern, dass die Betroffenen nur an allgemein zugänglichen Orten observiert werden dürfen. Das lehnte der Rat aber ab.
Linke hofft auf Nationalrat
Über die Vorlage entscheidet nun der Nationalrat. Auf ihm liegen auch die Hoffnungen von SP-Ständerat Hans Stöckli (BE, 65), der schon im Vorfeld «Exzesse» anprangerte. «Der Ständerat hat heute nur das Schlimmste verhindert. Vorab die Frage des Einsatzes der technischen Möglichkeiten ist noch zu wenig geklärt, ebenso die nach der Begrenzung der Observationen auf den öffentlichen Raum.» Die vorberatende nationalrätliche Kommission werde dazu hoffentlich die Staats- und Verfassungsrechtler anhören, was den Ständeräten verwehrt blieb. (SDA/awi)