Es hätte ihr grosser Auftritt werden sollen: Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP, 56) beschäftigt sich seit zweieinhalb Jahren so intensiv mit der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative wie sonst kaum jemand. Im Inland und im Ausland. Unter scharfer Beobachtung der SVP.
Doch gestern war die Bernerin im Nationalrat für einmal nicht die grösste Gegenspielerin der Rechtspartei. Selbstverständlich attackierten sie Sommaruga für die Position der Landesregierung. Doch weil die Haltung des Bundesrats noch näher beim Verfassungstext liegt als jene des Nationalrats, liefen die meisten Angriffe ins Leere.
Während der Eintretensdebatte, in der die Parteien mit markigen Worten ihre Position erläuterten, fand sie sogar Zeit, etwas auf ihrem Smartphone zu checken.
Nicht einmal «Weltwoche»-Chef Roger Köppel (SVP, 51) gelang es, seine Erzfeindin aus dem Konzept zu bringen. Noch im April hatte diese den Saal verlassen, als Köppel ihr «frivole Leichtfertigkeit» beim Hinwegsetzen über Verfassungsbestimmungen vorwarf (BLICK berichtete). Doch diesmal blieb sie cool.
Nerven aus Stahl
Selbst als Köppel behauptete, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe am Montag klargestellt, dass die Bilateralen auch im Falle einer verfassungsmässigen Umsetzung nicht gekündigt werden, zeigte die Justizministerin Nerven aus Stahl. Dabei war Köppels Interpretation von Junckers Äusserungen äusserst kreativ – der EU-Mann hatte das so nicht gesagt.
Wenn Sommaruga die Position der Landesregierung – die Initiative wenn nötig im Alleingang umzusetzen – vertreten musste, tat sie das ruhig und auf die Fakten bezogen. Die Vorlage des Bundesrats sei verfassungskonform, berge aber Unsicherheiten in den Beziehungen zur EU, das Konzept der Kommission setze den Schwerpunkt auf die bilateralen Verträge und mache Abstriche bei der wörtlichen Umsetzung.
Diplomatische Distanz
War das eine kleine, äusserst diplomatische Distanzierung von der Haltung des Gesamtbundesrats? Leidenschaftlich für den Bundesratsvorschlag einsetzen wollte sich Simonetta Sommaruga jedenfalls nicht: Man darf dies getrost als Sympathiebekundung für den Inländervorrang light werten.
Den einsamen Platz vor dem gesamten Nationalrat verliess Sommaruga während der stundenlangen Schlacht kaum, und wenn, dann nur kurz. Stille Unterstützung erhielt sie von ihrem Staatssekretär Mario Gattiker im hinteren Teil des Saals. Bis am 9. Februar haben die beiden Zeit, die SVP-Initiative umzusetzen. Der Nationalrat hat gestern tatkräftig geholfen.