Nein zu Waffenexporten
97 Nationalräte retten die Ehre der Schweiz

Der Nationalrat hat klargemacht, dass er nun selbst über die Waffenexporte befinden will. Nicht nur Mitte-links, sondern auch Abweichler aus den Reihen von FDP und SVP sorgten für einen denkwürdigen Entscheid.
Publiziert: 27.09.2018 um 01:56 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2018 um 06:40 Uhr
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97 Nationalräte sagten Ja zum Vorstoss (siehe folgende Bilder). Elf enthielten sich ihrer Stimme – viele davon fanden wohl die BDP-Motion richtig, trauten sich aber nicht, offen dafür einzustehen.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Das ist ein starkes Zeichen für die humanitäre Schweiz: Der Nationalrat stellt sich gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer. Er stimmte gestern einer Vorlage zu, welche die Kompetenz über Änderungen der Ausfuhrregeln dem Bundesrat entzieht. 97 Nationalräte gewichteten die Sorge, Schweizer Waffen und Munition könnten in falsche Hände geraten, höher als die finanziellen Interessen der Rüstungsindustrie.

Bemerkenswert: Die CVP von Präsident Gerhard Pfister (55) stellte sich geschlossen hinter die Vorlage. Selbst bei der SVP brach jemand aus der Nein-Phalanx aus: die Zürcherin Natalie Rickli (41) fürchtete einen Verstoss gegen die Neutralität. Von der FDP gab es immerhin zehn Enthaltungen. SP, Grüne, Grünliberale und BDP stimmten ohnehin Ja.

Der Entscheid ist eine Niederlage für den abtretenden Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP, 66). Seine Beteuerungen, der Bundesrat würde die Lockerung der Ausfuhrbestimmungen nur sehr zurückhaltend einsetzen, verfingen nicht.

Am Ende war das Ergebnis klar: Mit 97 zu 82 Stimmen hat der Nationalrat der Motion zugestimmt, die dem Bundesrat die Kompetenz entzieht, über die Änderung der Waffenexport-Regeln zu bestimmen.

Schliesst sich auch der Ständerat der BDP-Motion an, hat neu das Parlament bei Änderungen der Waffenexport-Regeln das Sagen – und das Volk das letzte Wort.

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Diese 97 Nationalräte retteten die Ehre der humanitären Schweiz.
Foto: Keystone

Unsicherheitsfaktor CVP

Doch es bleibt unsicher, dass auch das Stöckli sich der grossen Kammer anschliesst. Die CVP-Sicherheitspolitikerin Ida Glanzmann (59) ist zwar stolz über die CVP-Geschlossenheit im Nationalrat, sie befürchtet aber, dass ihre Ständeräte sich anders verhalten.

Ihre Hoffnungen setzt die Vizepräsidentin der nationalrätlichen Sicherheitskommission darum nicht allein in die Ständeräte, sondern auch in die Regierung: «Ich erwarte, dass der Ständerat nun mit dem Bundesrat noch einmal den Austausch sucht. Sodass dieser vielleicht auf den Entscheid, Waffen in Bürgerkriegsländer zu ermöglichen, zurückkommt.»

«Das reicht mir nicht!», sagt BDP-Chef Martin Landolt (50). Die reine Korrektur des jüngsten Exportentscheids ändere nichts am Grundproblem: «Vier von sieben Leuten entscheiden, wohin und unter welchen Umständen die Schweiz Waffen exportiert. Das geht doch nicht.»

Rickli konsequent

Es brauche eine grössere demokratische Legitimation von Waffenexport-Regeln, sagt Landolt. Der Nationalrat hofft deshalb, dass der bemerkenswerte Entscheid des Nationalrats die kleine Kammer nicht kalt lasse.

Sonst brauche es halt die Korrektur-Initiative, meinen viele. Die angekündigte Initiative einer breiten Allianz von Parteien und Organisationen will nicht nur den jüngsten Entscheid, Waffen in Bürgerkriegsländer zu liefern, rückgängig machen, sondern auch jenen von 2014, mit dem der Export in Länder möglich ist, die die Menschenrechte missachten. 

Dass der Parlamentsentscheid weniger knapp ausgefallen ist, als viele befürchtet hatten, war den Abweichlern in den Reihen der Freisinnigen und in der SVP geschuldet. Ja gesagt zur Motion hat auch SVP-Nationalrätin Natalie Rickli (41), die sich bei Waffenausfuhren konsequent zeigt: «Ich war schon 2014 gegen die Lockerung der Waffenexporte. Und auch jetzt hat sich meine Haltung in dieser Frage nicht geändert.»

Streit in der CVP-Fraktion bahnt sich an

Eine weitere Lockerung sei unnötig und «neutralitätspolitisch heikel», sagt sie. Der Bundesrat habe sich keinen Gefallen getan mit dem Entscheid. «Vor allem, wenn er die grossen Proteste aus der Bevölkerung und die gemäss seinen eigenen Aussagen minimen Mehreinnahmen für die Rüstungsbetriebe gegenüberstellt.»

Bei all der Freude über den Entscheid mahnen aber CVP-Nationalräte zur Vorsicht. Sie trauen vielen ihrer Ständerate nicht. Für den Fall, dass diese das Signal des Nationalrats missachten würden, kündigen sie an, ein öffentliches Zeichen zu setzen.

Die in Bern oben beweisen Bodenhaftung

Wenn von Bundesrat und Parlament die Rede ist, heisst es schnell «die in Bern oben». Gemeint ist: die, die vom Leben und den Sorgen der Normalbürger eh keine Ahnung mehr haben, die Abgehobenen mit ihren Privilegien und gut bezahlten Mandaten. Die Klage, dass sich Volksvertreter immer mehr vom Volk entfernen, ist längst Allgemeinplatz.

Heute hat der Nationalrat das Gegenteil bewiesen. Mit dem Entscheid, dass der Bundesrat Änderungen der Waffenexport-Regeln nicht in Eigenregie verfügen, sondern die Kompetenz ans Parlament abtreten soll, haben sich die Politiker nicht nur selbst mehr Macht gegeben.

Sie haben Bodenhaftung bewiesen

Sie haben auch das weitverbreitete Unbehagen in der Bevölkerung aufgenommen, die es nicht richtig findet, dass Schweizer Waffen in Bürgerkriegen landen. Und es waren nicht nur die Linken, die Waffenexporte ohnehin am liebsten ganz verbieten würden. Der Anstoss kam von der bürgerlichen BDP und wurde von der CVP einstimmig unterstützt. Ermöglicht haben das Ja aber auch elf Enthaltungen aus FDP und SVP. Parteien, die durchaus Interessen der Wirtschaft vertreten.

«Die in Bern oben» haben Bodenhaftung bewiesen. Schon bald wird sich zeigen, ob das auch für den Ständerat gilt.

BLICK-Politredaktorin Sermîn Faki.
BLICK-Politikchefin Sermîn Faki.
Peter Gerber

Wenn von Bundesrat und Parlament die Rede ist, heisst es schnell «die in Bern oben». Gemeint ist: die, die vom Leben und den Sorgen der Normalbürger eh keine Ahnung mehr haben, die Abgehobenen mit ihren Privilegien und gut bezahlten Mandaten. Die Klage, dass sich Volksvertreter immer mehr vom Volk entfernen, ist längst Allgemeinplatz.

Heute hat der Nationalrat das Gegenteil bewiesen. Mit dem Entscheid, dass der Bundesrat Änderungen der Waffenexport-Regeln nicht in Eigenregie verfügen, sondern die Kompetenz ans Parlament abtreten soll, haben sich die Politiker nicht nur selbst mehr Macht gegeben.

Sie haben Bodenhaftung bewiesen

Sie haben auch das weitverbreitete Unbehagen in der Bevölkerung aufgenommen, die es nicht richtig findet, dass Schweizer Waffen in Bürgerkriegen landen. Und es waren nicht nur die Linken, die Waffenexporte ohnehin am liebsten ganz verbieten würden. Der Anstoss kam von der bürgerlichen BDP und wurde von der CVP einstimmig unterstützt. Ermöglicht haben das Ja aber auch elf Enthaltungen aus FDP und SVP. Parteien, die durchaus Interessen der Wirtschaft vertreten.

«Die in Bern oben» haben Bodenhaftung bewiesen. Schon bald wird sich zeigen, ob das auch für den Ständerat gilt.

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