Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli ist in einen Shitstorm geraten, weil sie sich auf einem offiziellen Foto mit einer «Rolex Datejust 36» ablichten liess. Preis: 7300 Euro (8300 Franken). Der Auslöser war dieser Facebook-Beitrag:
Das Bild wurde bereits 2014 gemacht, als Chebli gerade Sprecherin des Aussenministeriums wurde. Die 40-Jährige ist Mitglied der SPD, der Partei also, die sich auf die Fahne schreibt, für die sozial Schwachen einzustehen. Eine Luxusuhr am Handgelenk ist mit diesen Werten offenbar nicht vereinbar, scheinen viele Deutsche zu denken.
Chebli muss sich einiges anhören – auch frauenfeindliche Kommentare fallen. Ihre Tauglichkeit fürs Amt wird in Frage gestellt und teilweise wird sie zutiefst beleidigt.
Sawsan Chebli lässt sich dies allerdings nicht bieten und schlägt via Twitter zurück: «Wer von Euch Hatern hat mit 12 Geschwistern in 2 Zimmern gewohnt, auf dem Boden geschlafen&gegessen, am Wochenende Holz gehackt, weil Kohle zu teuer war? Wer musste Monate für Holzbuntstifte warten? Mir sagt keiner, was Armut ist. #Rolex»
Paradebeispiel für Integration
Sawsan Chebli ist ein Paradebeispiel für erfolgreiche Integration: Die Eltern fliehen 1948 aus Palästina in den Libanon, leben fast 20 Jahre in einem Flüchtlingslager, bevor sie nach Deutschland gelangen. Dort wird Chebli 1978 geboren, gibt in der Schule Vollgas, kämpft sich nach oben, immer in Angst lebend, abgeschoben zu werden. Erst mit 15 Jahren erhält sie den deutschen Pass.
Mittlerweile ist sie Staatssekretärin in Berlin, setzt sich besonders für Flüchtlinge ein, ist nie um klare Worte verlegen, verdient 8900 Euro im Monat (brutto).
Dürfen Linke Luxus zeigen?
Das Problem um Chebli ist ein grundlegendes und für die SPD altbekannt: Darf ein Linker ein Statussymbol zeigen, das der Grossteil seiner anvisierten Wählerschaft sich kaum je leisten können wird? Als Gerhard Schröder 1998 Kanzler wurde, liess er sich in Brioni-Markenanzügen und mit dicker Zigarre im Mund ablichten, bekam den Beinamen «Kaschmir-Kanzler». Klaus Wowereit, ehemaliger Bürgermeister von Berlin und ebenfalls SPD, prägte hingegen den Satz «arm, aber sexy».
Die Krise der SPD allerdings war nie grösser. Bei den Bundestagswahlen 2017 sank die Partei auf ein historisches Tief von 20,5 Prozent, in aktuellen Umfragen liegt sie bundesweit sogar nur noch bei 14 Prozent und in Bayern verlor die SPD letzte Woche die Hälfte ihrer Wähler, (BLICK berichtete). Besonders die «Agenda 2010» und die Hartz-IV-Regelungen liegen den Wählern schwer auf dem Magen. Den Ruf, der Vertreter der «kleinen Leute» zu sein, hat die SPD verloren.
Die Debatte um Chebli ist deshalb für die Partei weit wichtiger, als es normalerweise der Fall wäre. Rückendeckung gibt es von der Konkurrenz. FDP-Chef Christian Lindner twittert «Man muss nicht arm sein, um gegen Armut zu sein.»
Nicht zuletzt auch die Schweizer Uhrenindustrie werden solche warmen Worte freuen.