Als hätte er als Chef des windschiefen Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) nicht genügend zu tun. Wie der «Sonntag» berichtet, kandidiert NDB-Chef Markus Seiler (44, FDP) in Spiez BE für einen Gemeinderatssitz (Exekutive).
VBS-Chef Ueli Maurer (SVP) ist informiert, und seine Sprecherin hielt fest: Seiler müsste als NDB-Chef zurücktreten, falls er am 4. November gewählt würde und die Wahl annähme.
So weit wird es nicht kommen, denn Seiler ist nur Lückenfüller auf der FDP-Liste. Und der Skandal um geklaute Geheimdienstdaten in Seilers Nachrichtendienst war kaum hilfreich.
Seiler hat diverse Ämter inne
Aber der als Karrierist geltende Seiler hat noch mindestens drei weitere Nebenjobs. Er ist Vizepräsident der Spiezer FDP. Er ist Mitglied des Spiezer Kirchgemeinderats, wo er Finanz- und Personalkommission leitet.
Nebenbei sitzt er auch im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Verwaltungswissenschaften (SGVW), die von Bundeskanzlerin Corina Casanova präsidiert wird. Das lohnt sich. Noch im Januar 2012 konnte Seiler den Dank der abtretenden Spiezer Kirchgemeinderatspräsidentin entgegennehmen. Sie hielt im Kirchenblatt fest, Seiler sei «in schwierigsten Herausforderungen immer zur Stelle gewesen».
Ob Seiler auch in seinem Brotjob in Bern immer zur Stelle war, ist fraglich. Im Mai 2012 spazierte ein Informatiker unbemerkt mit Unmengen von geklauten Daten aus dem Haus, ohne dass Seiler und seine Leute etwas merkten. «Im Nachrichtendienst gibt es kein Risikomanagement», hielt die Geschäftsprüfungsdelegation der Räte kürzlich fassungslos fest.
Ausser für Journalisten, die er seit dem Datenklau boykottiert, ist Seiler vermutlich der weltweit am besten erreichbare Geheimdienstchef: Seine Büronummer ist sowohl auf der Website der Kirche wie auch der des SGVW publiziert, inklusive E-Mail-Adresse.
«Nachrichtendienst – Sicherheitsfaktor oder Risiko?»
Heiter wirds Ende Oktober, wenn Seiler vor der Zürcher FDP unter dem eher mutigen Titel «Nachrichtendienst – Sicherheitsfaktor oder Risiko?» referiert. Markus Seiler scheint für alles Zeit zu haben, ausser für seinen Job. Aber VBS-Chef Maurer hat Seilers Nebenjobs abgesegnet. Der Zeitaufwand halte sich in «vertretbaren Grenzen», so eine VBS-Sprecherin.
Nur wird die Luft für Maurer selbst auch immer dünner. Die Datenklau-Affäre droht auf ihn zurückzufallen. Spätestens im Dezember, wenn er zum Bundespräsidenten gewählt werden will. Ein Amt, das ihm viele Politiker ohnehin nicht zutrauen.
Will Maurer gehen?
Stürzt Maurer über seinen Geheimdienst-Chef? Oder will er stürzen?
Nach wie vor gibt es Insider, die behaupten, Maurer würde lieber heute als morgen als Bundesrat zurücktreten. Einige meinen, er gehe nach dem Präsidialjahr.
Andere sagen, Maurer wolle sich selbst abseilen. Er suche der SVP zuliebe einen Abgang mit Getöse, eventuell noch 2012. Passen würde das, denn bald hat Maurer Anrecht auf eine volle Bundesratsrente. Die kriegt, wer vier Jahre in der Regierung war. Bei Maurer ist es am 31. Dezember 2012 so weit.