Der Nationalrat will kein Gesetz, das sich speziell gegen den radikalen Islam richtet. Er hat eine Motion der SVP-Fraktion mit diesem Anliegen am Dienstag abgelehnt. Die Abstimmung verlief unentschieden, die Ratspräsidentin Marina Carobbio musste den Stichentscheid fällen. Der Vorstoss fiel damit mit 92 zu 91 Stimmen – bei acht Enthaltungen – durch.
Die SVP hatte geschlossen für die Motion gestimmt, grossmehrheitlich auch die CVP. Nur zwei CVP-Vertreter – der Waadtländer Claude Béglé und die Zürcherin Kathy Riklin – stellten sich gegen die Motion. SP, Grüne, GLP und BDP hingegen lehnten den Vorstoss geschlossen ab. Auch die FDP lehnte grossmehrheitlich ab – nur zwei Vertreter stimmten Ja, acht enthielten sich.
SVP-Aeschi ärgert sich
Die SVP muss die Niederlage aber auf die eigene Kappe nehmen: Sie stolpert über drei SVP-Mannen! Ihre Nationalräte Franz Grüter (LU), Alfred Heer (ZH) und Marcel Dettling (SZ) verpassten die Abstimmung und vermasselten damit den Coup. Es hätte schon gereicht, wenn nur ein einer des Schwänzer-Trios den Ja-Knopf gedrückt hätte.
«Das ärgert mich, so etwas darf uns bei einem solch wichtigen Geschäft nicht passieren», sagt SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi zu BLICK. Heer hat sich wegen eines Wahlkampfanlasses offiziell bei Aeschi abgemeldet. Die beiden andern will sich der Fraktionschef aber noch zur Brust nehmen. «Ich werde mit ihnen das Gespräch suchen», so Aeschi. «Wegen des Wahlkampfes haben wir in dieser Session mehr Abmeldungen, dafür habe ich durchaus Verständnis.»
Aeschi lässt den Kopf aber nicht hängen. Schon heute Nachmittag will er der Fraktion beantragen, einen neuen Anlauf zu nehmen. «Wir werden den Vorstoss noch in dieser Session erneut einreichen, dann kann das neu gewählte Parlament darüber entscheiden. Die Gefahr, die vom Dschihadismus ausgeht, ist zu gross, als dass wir diese Problematik einfach versanden lassen können.»
Grüter gibt sich auf Anfrage reuig: «Ich hatte einen geschäftlichen Termin, den ich zwingend wahrnehmen musste.» Für ihn sei es «ärgerlich, dass der Vorstoss abgelehnt wurde».
Auch Dettling hat eine Erklärung parat: «Es ist äusserst ärgerlich für mich, da ich normalerweise sehr wenig Abstimmungen verpasse. Ich hatte eine Besuchergruppe aus dem Kanton Schwyz und im Anschluss gab es noch Fragen.»
SVP warnt vor Parallelgesellschaften
Die SVP verlangte, dass die Finanzierung von Gebetshäusern aus dem Ausland verboten wird und Moscheen überwacht werden. Der Informationsaustausch unter den Behörden soll ausgebaut und das Personal aufgestockt werden. Schliesslich will die SVP verbieten, dass Visa an ausländische Imame ausgestellt werden.
Die Motion richte sich gegen die Ausbreitung des radikalen Islams in der Schweiz, sagte SVP-Nationalrat Walter Wobmann (SO) in der Ratsdebatte. Er erinnerte an die Rekrutierung von Dschihadreisenden in Moscheen. Zudem bestehe die Gefahr, dass eine Parallelgesellschaft entstehe.
Karin Keller-Sutter gegen neues Gesetz
Der Bundesrat bekämpfe alle radikalen Strömungen, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Sie erinnerte daran, dass viele Forderungen schon heute erfüllt werden könnten. So würden etwa Einreiseverbote erlassen. Straffällige Ausländer könnten mit einem Landesverweis belegt werden.
Zudem seien verschiedene Gesetzesänderungen mit dieser Stossrichtung hängig oder in Diskussion. «Wir nehmen das ernst», sagte Keller-Sutter. Die präventive Überwachung aller Moscheen sei jedoch aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht möglich. Nach der Ablehnung durch den Nationalrat ist die Motion vom Tisch.