Der Nationalrat hatte sich am Vortag mit nur einer Stimme Differenz dafür ausgesprochen, im Aktienrecht Richtwerte für Geschlechter zu verankern, um den Frauenanteil in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen zu erhöhen.
Im Verwaltungsrat börsenkotierter Gesellschaften mit mehr als 250 Mitarbeitenden sollen mindestens 30 Prozent Frauen sitzen, in der Geschäftsleitung mindestens 20 Prozent. Sanktionen sind nicht vorgesehen. Erfüllt ein Unternehmen die Richtwerte nicht, muss es sich lediglich erklären. Ob die Frauenquote Bestand hat, zeigt sich im Herbst im Ständerat, der an der nächsten Session darüber berät.
Heute waren Generalversammlungen das grosse Thema
Am Freitag hatte der Rat noch über verschiedene Rechte und Pflichten der Aktionäre zu entscheiden. Nach seinem Willen soll die Generalversammlung ihre Beschlüsse weiterhin mit der Mehrheit der vertretenen Aktienstimmen fassen.
Der Bundesrat möchte dies ändern. Nach seinem Willen soll – wie im Parlament – die Mehrheit der abgegebenen Stimmen massgebend sein. Der Nationalrat befürchtete aber, damit könnte plötzlich eine kleine anwesende Minderheit der anwesenden Aktionäre zur Mehrheit werden.
Justizministerin Simonetta Sommaruga (58) stellte dazu fest, es mache ein bisschen den Eindruck, als ob es gewissen Verwaltungsräten grosser Gesellschaften nicht passe, dass sie in Zukunft nicht mehr auf einen Pool von Nein-Stimmen zählen könnten.
In börsenkotierten Gesellschaften sollen Aktionäre, die zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, nach dem Willen des Nationalrats vom Verwaltungsrat schriftlich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen können. Der Bundesrat schlägt eine Schwelle von 5 Prozent vor.
Aktionäre börsenkotierter Unternehmen können zudem die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen verlangen, wenn sie zusammen über mindestens 3 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen verfügen. Hier folgte der Rat mit 103 zu 93 Stimmen seiner Kommission. Der Bundesrat sprach sich für 0,5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen aus.
Schwelle für Sonderuntersuchung bleibt hoch
Umstritten waren ferner die Regeln zu Sonderuntersuchungen. Widersetzt sich die Mehrheit der Aktionäre dem Antrag auf eine Sonderuntersuchung, können die unterlegenen Aktionäre beim Gericht deren Anordnung beantragen.
Geht es nach dem Nationalrat, ordnet das Gericht die Sonderuntersuchung aber nur dann an, wenn die Gesuchsteller glaubhaft machen, dass die Statuten verletzt und die Gesellschaft oder die Aktionäre geschädigt wurden. Der Bundesrat hätte lediglich voraussetzen wollen, dass die Verletzung der Statuten geeignet ist, die Gesellschaft oder die Aktionäre zu schädigen.
Ohne Sonderuntersuchung könne der Nachweis einer Schädigung oft nicht erbracht werden, gab Sommaruga zu bedenken. Die Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (70) stellte fest, bisher sei eine Sonderuntersuchung nur im Fall der Swissair erfolgt. Der Rat sprach sich aber dagegen aus, die Schwelle zu senken.
Dem Bundesrat gefolgt ist der Rat dagegen bei den Regeln zur Bekanntmachung des Geschäftsberichts. Er will hier beim geltenden Recht bleiben. Die vorberatende Kommission hätte im Gesetz verankern wollen, dass der Geschäftsbericht und die Revisionsberichte den Aktionären spätestens mit der Einberufung der Generalversammlung zugänglich gemacht werden müssen.
Die Aktienrechtsrevision und der Gegenvorschlag gehen nun an den Ständerat. (sda/awi)